Beschlagnahmung von Wohnungen für Flüchtlingsunterkünfte
Anfrage des RH Lutz Pfundner zur Sitzung des Rates am 10. September 2015: Am 27.08.2015 meldete WDR 2, dass die Städte Dortmund und Gelsenkirchen eine Beschlagnahmung von privaten Immobilien zur Unterbringung von Asylsuchenden nicht ausschließen.
"Dort, wo wir den Eindruck haben, dass Wohnraum im großem Maße bewusst dem Markt entzogen wird, sei es aus Abschreibungsgründen, aus spekulativen Erwägungen oder einfach nur aus Ignoranz, können wir das Mittel der Beschlagnahmung nicht mehr ausschließen", wird Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski zitiert.
In Düsseldorf werden mit erheblichem finanziellem Aufwand Flüchtlinge in Containern, Zelten und Traglufthallen untergebracht. Seit langem gibt es Sammelunterkünfte wie ehemalige Schulen. U. a. leben in diesen Unterkünften auch hunderte von anerkannten Flüchtlingen, da sie keine Wohnungen finden. Gleichzeitig gibt es nach Angaben der Verwaltung einen Leerstand von ca. 14.000 Wohnungen in der Stadt.
Deshalb frage ich an:
- Unter welchen Gegebenheiten können in Düsseldorf leerstehende Wohnungen für die Unterbringung von Asylsuchenden beschlagnahmt werden?
- Wie schnell können ggf. Maßnahmen zur Beschlagnahmung umgesetzt werden?
- Wird die Verwaltung die Möglichkeit der Beschlagnahmung von leerstehenden Wohnungen zur Unterbringung von Asylsuchenden weiter verfolgen?
Mit freundlichen Grüßen
Lutz Pfundner
Antwort der Verwaltung am 10.09.2015 (Beigeordneter Hintzsche)
zu Frage 1: Grundsätzlich stellt die Beschlagnahmung von Privateigentum einen wesentlichen Eingriff in Grundrechte der Eigentümerinnen und Eigentümer dar. Für die Beschlagnahme, auch zur Unterbringung von Asylsuchenden, gilt daher ein besonders enger rechtlicher Rahmen, der sich wie folgt darstellt:
Eine Beschlagnahme kann als notwendige Maßnahme von Ordnungsbehörden gemäß § 14 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz (OBG) getroffen werden, um eine bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Hierbei kann auch eine unbeteiligte Dritte oder ein unbeteiligter Dritter in Anspruch genommen werden,
- wenn die Gefahr gegenwärtig ist,
- weder die Ordnungsbehörde noch eine Beauftragte oder ein Beauftragter die Gefahr abwenden kann und
- die Eigentümerin oder der Eigentümer durch die Beschlagnahmung keine höherwertigen Pflichten verletzt oder eigenen Gefahren ausgesetzt ist.
Die drohende Obdachlosigkeit stellt grundsätzlich eine solche gegenwärtige Gefahr dar. Es müssen aber belegbar alle anderweitigen Möglichkeiten der Gefahrenabwehr ausgeschöpft worden sein, um eine Beschlagnahme zu rechtfertigen. Zusätzlich ist auch unter den eventuell zu beschlagnahmenden Objekten eine Auswahl zu treffen und das Objekt mit dem geringsten Eingriff im Verhältnis zum dadurch erzielten Erfolg zu ermitteln.
Die Beschlagnahme ist außerdem kein langfristig wirksames Instrument, da die Maßnahme nur so lange rechtmäßig ist, wie die Gefahr nicht auf andere Weise abgewehrt werden kann.
Im Falle einer Beschlagnahme ist die Privateigentümerin oder der Privateigentümer zu entschädigen.
Maßgeblich ist hier § 39 OBG, der eine Entschädigungspflicht für den Fall der Inanspruchnahme eines Nichtstörers, das heißt der privaten Eigentümerin oder des Eigentümers sowie generell bei rechtswidrigen Maßnahmen postuliert. Es sind nach § 40 OBG in beiden Fällen die Vermögensschäden zu ersetzen. Dies sind im hier vorliegenden Fall typischerweise Mietausfälle.
Auch Sachschäden werden hiervon erfasst, soweit sie im unmittelbaren Zusammenhang mit der Beschlagnahmung stehen.
Für den entgangenen Gewinn, der über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes oder Nutzungsentgelts hinausgeht und für Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der zu entschädigenden Maßnahme stehen, ist eine Entschädigung nur zu leisten, wenn und soweit dies zur Abwendung unbilliger Härten geboten scheint.
Die umliegenden Anliegerinnen und Anlieger haben hingegen keine finanziellen Entschädigungsansprüche.
zu Frage 2: Da die Beschlagnahme nur als "ultimaratio", also als letztes anwendbares Mittel in Betracht kommt, bedarf es einer sorgfältigen und umfassenden Einzelprüfung, ob die Voraussetzungen für den Einsatz dieses Instruments vorliegen und die eigenen Möglichkeiten zur Beseitigung der Gefahrenlage voll und nachweisbar ausgeschöpft wurden. Außerdem muß sichergestellt sein, dass die Auswahlentscheidung, welches Objekt eventuell beschlagnahmt wird, ermessensfehlerfrei erfolgt.
Eine Einschätzung, in welcher Zeit und mit welchem Ergebnis ein solcher Prüfprozess durchgeführt werden könnte, ist mangels entsprechender Erfahrungswerte nicht möglich. Es kann jedoch gesagt werden, dass schon aufgrund der hohen rechtlichen Anforderungen eine Beschlagnahme im "Schnellverfahren" ausgeschlossen ist.
zu Frage 3: Bisher wurde das Instrument "Beschlagnahme" aufgrund des in der Antwort auf Frage 1 dargestellten Nachrangs für die Unterbringung von Asylsuchenden noch nicht in Erwägung gezogen. Die aktuelle Unterbringung von Asylsuchenden wurde im Runden Tisch Asyl am 08.09.2015 vorgestellt.