Insektenfreundliche Baumarten und Gehölze
Anfrage der Ratsfraktion DIE LINKE. Düsseldorf zur Sitzung des AÖE am 18.11.2024 (AÖE/041/2024):
Im Rahmen von Insektenschutzmaßnahmen hat die Stadt Düsseldorf in den letzten Jahren mit der Vermehrung von Blühflächen und Vermeidung von Lichtverschmutzung begonnen.
Allerdings werden in Reaktion auf die zunehmende Erhitzung der Städte verstärkt gebietsfremde Baumarten, sogenannte Zukunftsbäume in Düsseldorf gepflanzt. Von insgesamt 379 Arten dieser Zukunftsbäume wurden in Düsseldorf 247 gepflanzt. Laut Bericht der Rheinischen Post vom 05.08.2024 wurden seit 2013 insgesamt 11.151 Exemplare gepflanzt.
Das Gartenamt nimmt seit 2019 am Straßenbaumtest der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz teil. Mit den Erkenntnissen und dem Austausch mit anderen Kommunen will man die Pflanzung von zukunftsfähigen Baumarten intensivieren und in den kommenden Jahren weiter fortsetzen.
Dieser Ansatz kann sich als verhängnisvoll für viele Insektenarten erweisen. Im April 2024 hat das Bundesamt für Naturschutz in seiner Zeitschrift „Natur und Landschaft“ neue Forschungsergebnisse der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung veröffentlicht. Laut Forschungsteam ist die Verwendung von einheimischen Hölzern und Baumarten unabdingbar, um dem Rückgang einheimischer Insektenarten zu begegnen.
In die Analyse flossen Daten von etwa 74 Prozent aller in Deutschland heimischen pflanzenfressenden Insektenarten ein. Laut Ergebnis der Studie sind etwa ein Drittel der über 33.000 Insektenarten Deutschlands direkt oder indirekt in mindestens einem Lebensstadium von Gehölzen abhängig. Knapp 89 Prozent der Insekten nutze aber keine gebietsfremden Gehölze. Die unbedachte Umstellung auf klimaresistente und somit gebietsfremde Bäume erklärt Dr. Mattias Nuß von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen deshalb für fatal. Das Forschungsteam empfiehlt daher, einheimische Baumarten und deren genetische Varianten zu bevorzugen.
DIE LINKE Ratsfraktion Düsseldorf fragt an:
1. Welchen Einfluss hat das Ergebnis der Studie der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung auf die Pläne der Stadt Düsseldorf zur Pflanzung weiterer Zukunftsbäume?
2. Aus welchem geographischen Raum kommen die bisher ausgewählten hitze- und trockenheitsresistenten Gehölze und Baumarten? (Bitte aufgeschlüsselt nach Ländern und Anzahl der Pflanzungen.)
3. Wie können einheimische Baumarten und Gehölze in Düsseldorf gegen die Herausforderungen des Klimawandels unterstützt werden?
Mit freundlichen Grüßen
Sigrid Lehmann Olaf Nordsieck Christian Jäger
Antwort der Verwaltung durch den Beigeordneten Kral:
Antwort zu Frage 1:
Die Ergebnisse der Studie „Die Bedeutung von Gehölzen für einheimische, phytophage Insekten“ betrachtet zunächst 74 % der pflanzenfressenden Insektenarten Deutschlands. Das sind 8.127 Arten, zu denen 3.140 Arten mit einem obligatorischen oder fakultativen Bezug auf heimische Gehölze zählen. Die Phytophagen (Pflanzenfresser) sind wiederum von unterschiedlichen Gehölzen abhängig. Hierzu zählen laut Studie vor allem Bäume der Gattungen Weide, Birke, Eiche, Kiefer und Fichte.
Seit einigen Jahren leiden viele heimische Baumarten unter den sich verändernden Klimabedingungen und können nicht uneingeschränkt verwendet werden. Hiervon betroffen sind vor allem eine Vielzahl von Birken, welche aufgrund trockener Kronen und einem zunehmenden Befall mit holzzersetzenden Pilzen gefällt werden mussten. Das Absterben alter und junger Birken ist sowohl auf städtischen, als auch privaten Flächen zu beobachten. Zudem eignen sich Baumarten wie Weiden und Pappeln wegen ihres leichtbrüchigen Holzes nicht für hochfrequentierte Bereiche. Für die Belange des Naturschutzes eignet sich daher die Pflanzung in Natur- und Kulturland.
In Bezug auf Siedlungsflächen bzw. den innerstädtischen Raum ist das Lebensraum- und Nahrungsangebot für Insekten nur ein Teil mehrerer Parameter, die zur Auswahl eines „Zukunftsbaumes“ an seinem Standort herangezogen werden. Die Zukunftsbaumliste der Stadt Düsseldorf zeigt beispielsweise, welche Parameter Berücksichtigung finden und schließt dabei auch die Bienen- und Wildbienenfreundlichkeit als Kriterium des Naturschutzes ein.
Die oben genannte Studie kommt in ihrer Konklusion zu folgenden Schlussfolgerungen. Dabei wird die Aufzucht eines Baumes aus einem Samenkorn am Standort sowie die Verwendung von autochthonen (heimische) Baumarten zur Auswahl empfohlen. Praktisch sind diese beiden Handlungsempfehlungen nicht umsetzbar, da ein Baum im Sämlingsstadium kaum an einem widrigen Standort in der Stadt überleben würde und autochthones Pflanzgut in der notwendigen Pflanzqualität nicht in den Baumschulen erhältlich ist.
Ferner wird empfohlen, gebietsfremde Baumarten aus zumindest geographisch nahgelegenen Gebieten auszuwählen, die durch ihre Gattungen in Verwandtschaft mit der heimischen Flora stehen. Solche Bäume stammen unter anderem aus Südeuropa, wie beispielsweise die ungarische Eiche und die Blumen-Esche und werden durch die Verwaltung bereits gepflanzt.
In der Zukunftsbaumliste wurde die Bewertung gemäß der KlimaArtenMatrix (KLAM) nach Prof. Andreas Roloff eingearbeitet. Diese ist in ihrer wissenschaftlichen Ausarbeitung mit der vorab genannten Studie vergleichbar und bewertet Baumarten anhand der klimatischen Kriterien, Winterhärte und Niederschlagsmengen der jeweiligen Herkunftsgebiete. Es werden zum Beispiel nur Baumarten aus Regionen unter 500 mm Niederschlag in die Bewertung aufgenommen. Die Baumartenanalyse nach Roloff wählt Baumarten aus, die hinsichtlich der zu erwarten klimatischen Veränderungen in Düsseldorf bestehen können. Zu den aufgeführten Baumarten zählen solche, deren Baumgattungen auch in Deutschland vorkommen.
Antwort zun Frage 2:
Die eingesetzten Baumarten können mehreren geographischen Räumen auf der Nordhalbkugel zugeordnet werden. Wie in Frage 1 bereits beschrieben, erfolgt eine Auswahl zukunftsträchtiger Gehölze anhand klimatischer Standortfaktoren. Viele Baumarten stammen deshalb aus Mittel-, Süd- und Südosteuropa sowie Amerika und Asien. Die Verbreitungsgebiete von Bäumen erstrecken sich über Ländergrenzen hinweg, weshalb eine Aufschlüsselung von Baumarten nach Ländern zu einer fehlerhaften Analyse der biogeographischen Vorkommen von Baumarten führen würde. Beispielhaft ist hier die Rotbuche zu nennen, die sowohl in Deutschland als auch in den maritim geprägten Nachbarländern heimisch und selbst im kontinentalen Polen noch vorzufinden ist.
Der Aufbau eines klimaresilienten Baumbestandes wird bereits seit den verheerenden Folgen des Pfingststurm ELA im Jahr 2014 betrieben. Ein artenreicher und vielschichtiger Baumbestand ist widerstandfähiger gegen Stürme, Hitze, Trockenheit, Krankheiten und kann gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels besser bestehen.
Antwort der Frage 3:
Heimischen Baumarten leiden in Städten durch Extrembedingungen wie Versieglung, zu engen Wurzelräumen, mangelnder Wasser- und Nährstoffversorgung, Hitzestrahlung, Trockenheit sowie den Eintrag von Schadstoffen in den Boden.
Mit der Pflanzung widerstandsfähiger Baumarten in Baumgruben mit mindestens zwölf Kubikmeter Baumgrubensubstrat sowie einer Wurzelbelüftung und der Bewässerung von Jungbäumen bis in das 10. Standjahr sowie Bäumen an Extremstandorten trägt die Verwaltung Sorge für den Aufbau eines klimaresilienten Stadtbaumbestandes.
Etablierte Baumbestände im innerstädtischen Bereich werden durch die Verwaltung mit fachlicher und qualifizierter Baumpflege erhalten. Beispielsweise werden Platanenbestände zusätzlich kontrolliert, um Anzeichen der Massaria-Krankheit frühzeitig zu erkennen und anschließend entsprechende Pflegemaßnahmen durchzuführen. Darüber hinaus werden Baumgruben von Altstandorten im Rahmen des Stadtbaumkonzepts unter Erhalt des Baumbestandes saniert.