Umsetzung der Istanbul Konvention an KiTas und Schulen

Jugendhilfeausschuss

Anfrage der Ratsfraktion DIE LINKE. Düsseldorf zur Sitzung des JHA am 12.03.2025 (JHA/017/2025):

Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtliches Abkommen des Europarats.

Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – so der vollständige Titel – trat 2014 in Kraft. Als rechtlich bindendes Menschenrechtsinstrument ist es in Deutschland 2018 in Kraft getreten.

Die Istanbul-Konvention weist Bildungseinrichtungen eine besondere Rolle in der Gewaltprävention zu. Diese müssen Kinder nicht nur vor geschlechtsbezogener Gewalt wie sexuellen Übergriffen schützen. Kitas und Schulen sind auch wichtige Orte der Aufklärung und Prävention. Hier sollen Kinder lernen, Gewalt zu erkennen und keinesfalls anzuwenden oder zu tolerieren.

Eine Studie aus Schleswig-Holstein zeigt, dass die Prävention geschlechtsbezogener Gewalt dort verbessert werden muss. 80 Prozent der Schulen und 70 Prozent der Kitas gaben an, kein Präventionskonzept zu haben, das der Definition der Studie entspricht. Ein Problem ergibt sich mit Blick auf Mehrfachdiskriminierungen.

DIE LINKE. Ratsfraktion Düsseldorf fragt an:

1. Wie wird in Düsseldorf auf die Umsetzung der Istanbul-Konvention, insbesondere an Kitas und Schulen, geachtet?

2. Gibt es eine Statistik zu den von den Einrichtungen genutzten Weiterbildungsmaßnahmen?

3. Sind für die Zukunft weitere Bildungsmaßnahmen geplant, die präventiv auf das Einhalten der Istanbul Konvention abzielen?

Freundliche Grüße
Lukas Reichert          Kea Detmers


Antwort der Verwaltung durch den Beigeordneten Hintzsche:

Antwort zu Frage 1:
Die Antwort unterteilt sich in Ausführungen des Amtes 51 (Amt für Soziales und Jugend) und des Amtes 40 (Amt für Schule und Bildung):

Beantwortung des Amtes 51:
Die Umsetzung der Istanbul-Konvention wird in Düsseldorf durch verschiedene Angebote und Leistungen der Beratungsstellen der Jugendhilfe https://www.duesseldorf.de/djeb aktiv unterstützt. Diese Angebote richten sich sowohl an unmittelbar betroffene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wie auch an Eltern und pädagogische Fachkräfte, insbesondere in Kitas und Schulen.

Ein zentrales Element der Düsseldorfer Angebote ist der trägerübergreifende Arbeitskreis der Fachkräfte der spezialisierten Beratung zur Prävention und Nachsorge bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Dieser Arbeitskreis stärkt durch vielfältige Maßnahmen die Schutzstrukturen und Prävention.

Zu den Angeboten der Düsseldorfer Beratungsstellen der Jugendhilfe zählen:

Fachkräfteschulungen: Pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte werden durch Fortbildungen zur Prävention von sexualisierter Gewalt sensibilisiert. Diese Schulungen behandeln unter anderem Themen wie die Definition sexualisierter Gewalt, Täterstrategien, Präventionsmöglichkeiten und die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Des Weiteren beraten Erziehungs- und Familienberatungsstellen pädagogische Fachkräfte und Einrichtungsleitungen im Zusammenhang mit der Entwicklung institutioneller Schutzkonzepte in Kindertageseinrichtungen.

Präventionsangebote für Kinder und Jugendliche: In Workshops, Projekttagen und fortlaufenden Gruppenangeboten lernen Kinder und Jugendliche, wie sie sich vor sexualisierter Gewalt schützen können. Themen wie „Mein Körper gehört mir“, die Unterscheidung zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen und die Stärkung von Ressourcen werden behandelt. Für Jugendliche werden auch Themen wie Gewalt in Teenagerbeziehungen und sexualisierte Gewalt in digitalen Medien angesprochen.

Schulungen zu digitalen Medien: Um das Bewusstsein für sexuelle und psychische Gewalt im digitalen Raum zu schärfen, werden Schulungen zur Medienkompetenz und Sensibilisierung bezüglich potentieller Grenzverletzungen angeboten.

Des Weiteren bietet die Trennungs- und Scheidungsberatung einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, insbesondere in Fällen von häuslicher Gewalt. Die Beratungsangebote beinhalten neben fachlichen Standards auch spezifische Schutzmechanismen, wie getrennte Wartebereiche für gewaltbetroffene Elternteile und Einzelgespräche, um die Sicherheit der Betroffenen, vor allem Frauen und Kinder, zu gewährleisten. Die Jugendhilfeplanung 2024-2028 für die Beratungsstellen der Jugendhilfe schreibt die Entwicklung eines interdisziplinär abgestimmten Konzeptes zur Trennungs- und Scheidungsberatung im Kontext von Häuslicher Gewalt vor.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Düsseldorfer Beratungsstellen der Jugendhilfe durch ein umfassendes Netzwerk von Beratungs- und Präventionsangeboten aktiv zur Umsetzung der Istanbul-Konvention beitragen, insbesondere im Bereich der Kindertagesstätten und Schulen, und einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt leistet.

Im Bereich „Frühe Hilfen“ wurde in Zusammenarbeit mit allen Trägern der 22 Familien- und Stadtteiltreffs eine Arbeitshilfe mit Kriterien für ein Gewaltschutzkonzept erarbeitet und abgestimmt. Der Fortschritt und die Implementierung dieses Konzepts werden regelmäßig in den jährlichen Zielvereinbarungsgesprächen thematisiert und, falls notwendig, auch unterjährig in Reaktion auf gesetzliche Neuerungen oder Veränderungen der Rahmenbedingungen aufgegriffen.

Die Arbeitshilfe ist nicht ausschließlich geschlechtsspezifisch ausgerichtet, da die Arbeit in den Familien- und Stadtteiltreffs grundsätzlich intersektional gestaltet wird. Das bedeutet, dass verschiedene Dimensionen von Diskriminierung in ihren jeweiligen sozialen Kontexten berücksichtigt werden.

Die Fachkräfte in den Familien- und Stadtteiltreffs sind aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung gut in der Lage, geschlechtsspezifische Gewalterfahrungen zu erkennen und Frauen sowie Müttern gezielte Unterstützung anzubieten. Insbesondere erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit spezialisierten Hilfsangeboten, um sicherzustellen, dass Betroffene von Gewalt die notwendige Unterstützung erhalten und auf weiterführende, auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Hilfsangebote zugreifen können.

Darüber hinaus sind alle Schulen – auch unabhängig von der Istanbul-Konvention - verpflichtet, Schutzkonzepte zur Prävention sexualisierter Gewalt zu entwickeln. Die Schulsozialarbeiter*innen sind in der Regel in diesen Prozess eingebunden, um die Expertise der Jugendhilfe einbringen zu können.

Gewaltpräventive Angebote sind für die Schulsozialarbeit an den einzelnen Schulstandorten Standard.

Festgelegte Abläufe zum Verfahren bezüglich möglicher Kindeswohlgefährdung sind allen Akteur*innen bekannt (Schutzauftrag). Häusliche Gewalt als möglicher Gefahrenfaktor findet entsprechende Beachtung.

Die Istanbul-Konvention ist dabei nicht zwingend Grundlage des sozialpädagogischen Handelns.

Ein wichtiger Schwerpunkt der drei zentralen Säulen der Schulsozialarbeit in Düsseldorf (Prävention, Intervention, Vernetzung) findet sich in der sogenannten „Lotsenfunktion“, d.h. allen Schulsozialarbeitenden sind Institutionen vertraut, an die Eltern und Kinder verwiesen und ggfs. dorthin begleitet werden (Fachstelle für psychische Gesundheit, Frauenberatungsstellen, Erziehungsberatungsstellen etc.).

Aus dem Erzieherischen Kinder- und Jugendschutz heraus wird der Fond zur Umsetzung von gewaltpräventiven Maßnahmen in der Jugendhilfe in Höhe von derzeit jährlich 50.000 € gesteuert. In diesem Rahmen werden unterschiedliche Projekte u.a. in Kitas sowie durch Schulsozialarbeit auch an Schule finanziell gefördert. Diese Projekte sollen dazu beitragen, Schutzfaktoren für eine ganzheitlich gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu stärken und Risikofaktoren zu minimieren.

Beantwortung des Amtes 40:
In 2022 wurde durch das 16. Schulrechtsänderungsgesetz verfügt, dass jede Schule ein „Schutzkonzept gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch“ erstellt. Die konkrete
Planung, Ausgestaltung und Umsetzung des Schutzkonzepts liegt dabei in der Verant-
wortung der einzelnen Schule. Die Landeshauptstadt Düsseldorf bietet Unterstützung
bei der Erstellung eines Schutzkonzepts an. Das Zentrum für Schulpsychologie und
weitere Akteurinnen in der Präventionsarbeit halten sich dabei eng an das Vorgehen
gemäß der Bundeskampagne „Kein Raum für Missbrauch“ der Unabhängigen Beauf-
tragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) sowie des KMK-Leitfa-
dens „Kinderschutz in der Schule“. Fragen der geschlechtsbezogenen Gewalt, etwa in
Form sexualisierter Gewalt gegen Mädchen, finden bei der Schutzkonzeptentwicklung Berücksichtigung.

Das Zentrum für Schulpsychologie hat in den zurückliegenden beiden Schuljahren mehr als 50 Düsseldorfer Schulen bei der Erstellung ihres Schutzkonzepts unterstützt. Es bietet allen Düsseldorfer Schulen zudem Unterstützung bei der Auswahl geeigneter gewaltpräventiver Programme und Maßnahmen unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen der jeweiligen Schule an. Dies umfasst selbstverständlich auch den Bereich der geschlechtsbezogenen sowie sexualisierten Gewalt. Im Rahmen des gewaltpräventiven Budgets des Zentrums für Schulpsychologie ist eine finanzielle Förderung ausgewählter Projekte und Angebote an Schulen möglich.

Antwort zu Frage 2:
Eine zusammenhängende Statistik für von allen Bereichen genutzte und durchgeführte Weiterbildungsmaßnahmen existiert nicht. Die jeweiligen Bereiche entscheiden eigenverantwortlich, ob und in welcher Form die Teilnahmen an Weiterbildungsmaßnahmen dokumentiert werden.

So werden zum Beispiel im Bereich der kommunalen Schulsozialarbeit Fortbildungen der Mitarbeitenden – allerdings ohne namentlichen Bezug zur Istanbul-Konvention - erfasst. Alle kommunalen Schulsozialarbeiter*innen werden zu Kinderschutzfachkräften weitergebildet. Allen Schulsozialarbeitenden der LHD – freie Träger und kommunal – steht ein umfangreiches Fortbildungsangebot mit großer Themenvielfalt zur Verfügung (JA, LVR, LWL etc.) mit u.a. Seminaren zur Gewaltprävention, Prävention sexualisierter Gewalt etc.

Aus dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz werden eine Vielzahl unterschiedlicher Fortbildungen, Workshops und Fachtage geplant und gesteuert; beispielsweise zum Thema „Prävention sexualisierter Gewalt“; teilweise auch in Kooperation mit dem Zentrum für Schulpsychologie.

Hierbei steht ebenfalls die Sensibilisierung zu Gewaltthemen im Fokus.

Antwort zu Frage 3:
Die Düsseldorfer Beratungsstellen der Jugendhilfe planen auch für die Zukunft weitere (Bildungs-)Maßnahmen, die präventiv auf die Umsetzung der Istanbul-Konvention abzielen. Im Rahmen der bereits etablierten spezialisierten Beratung zur Prävention und Nachsorge bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche werden ab 2025 mehrere gezielte Projekte und Maßnahmen umgesetzt, um das Bewusstsein für sexuelle Selbstbestimmung, Grenzverletzungen und Schutzmöglichkeiten zu stärken.

Ein Schwerpunkt liegt auf der Erweiterung des Themas sexualisierte Gewalt im digitalen Raum, was durch das Projekt „Safespace“ unterstützt wird. Dieses landesgeförderte Projekt zielt darauf ab, Präventionsveranstaltungen für Kinder, Jugendliche, Eltern und Fachkräfte zu entwickeln, um digitale sexualisierte Gewalt besser zu erkennen und zu verhindern. Workshops und Gruppenangebote für Jugendliche sollen ebenfalls zur Verhinderung von Gewalt beitragen.

Ein weiteres zentrales Projekt ist die „Echt krass“-Ausstellung, die 2025 nach Düsseldorf kommt. Diese interaktive Ausstellung befasst sich mit dem Thema sexuelle Grenzverletzungen und richtet sich an Jugendliche der 8. Klassen an Schulen sowie an Interessierte aus Freizeiteinrichtungen. Die Ausstellung soll ein Bewusstsein für sexuelle Selbstbestimmung und Schutzmöglichkeiten schaffen und somit einen direkten Beitrag zur Prävention von sexualisierter Gewalt leisten. Begleitend werden Fortbildungen für Fachkräfte angeboten, um die Ausstellung effektiv in den schulischen Kontext zu integrieren.

Zusätzlich sind Projekte zur Sensibilisierung für sexuelle Grenzüberschreitungen unter Kindern und Jugendlichen geplant, um schon frühzeitig im jungen Alter über gesunde Grenzen und den respektvollen Umgang miteinander zu informieren.

Darüber hinaus gibt es Bestrebungen, weitere präventive Maßnahmen zu entwickeln, wie den Ausbau der Arbeit mit Täter*innen sowie die Bereitstellung zusätzlicher therapeutischer Angebote für betroffene Kinder und Jugendliche. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Unterstützung von Sorgeberechtigten und Familien, insbesondere in Fällen von innerfamiliärer Gewalt und Abhängigkeitsstrukturen, um eine ganzheitliche Prävention zu gewährleisten.

Im Bereich der frühen Hilfen wird grundsätzlich laufend auf aktuell ausgeschriebene Fortbildungen hingewiesen, die für die Arbeit der Familien- und Stadtteiltreffs relevant sind.