Provenienzforschung im "kolonialen Kontext"

Rat

Antrag der Ratsfraktion DIE LINKE Düsseldorf zur Sitzung des Rates am
01.07.2021:

Die Verwaltung wird beauftragt, den Bestand aller städtischen Kunst- und Kultureinrichtungen (Gegenstände, sonstige Objekte, Sammlungen, Materialien etc.) auf einen möglichen kolonialen Ursprung zu überprüfen und die Ergebnisse dem Stadtrat vorzustellen.

Begründung:
Der Kolonialismus war ein Herrschaftsverhältnis, das auf Gewalt, Unterdrückung,
systematischer Ausbeutung und rechtlich verankertem Rassismus basierte. Die
Nachwirkungen des Kolonialismus finden sich auch im institutionellen, strukturellen
und alltäglichen Rassismus der Gegenwart. Koloniale Kontinuitäten spiegeln sich in
Gesellschaftsstrukturen, Lebensrealitäten, Kunst und Kultur sowie in der Sprache der
Menschen in Europa wieder (vgl. Susan Arndt & Nadja Ofuatey-Alazaed, Wie
Rassismus aus Wörtern spricht. Kerben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche
Sprache, 2011).

In Deutschland und anderen europäischen Ländern wurde die Aufarbeitung des
Kolonialismus lange verdrängt und die Kolonialgeschichte isoliert vom kolonialen
Sammeln und Raubkunst betrachtet. Um eine Aufarbeitung dieser Gräueltaten und
Verbrechen zu gewährleisten, bedarf es allerdings einer Gesamtbetrachtung, in die
wissenschaftliche und kulturelle Auseinandersetzungen miteinbezogen werden
müssen.

Die öffentliche Debatte, wie mit kolonialem Erbe umzugehen ist, wurde 2017 von der
französischen Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy angestoßen. Bis 2017 war Bénédicte
Savoy Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Humboldt Forums, Weltkulturmuseum in Berlin. Aus dem Beirat trat sie aus und kritisierte das Humboldt Forum öffentlich. Die Macher des neuen Weltkulturmuseums vernachlässigten die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit der Sammlungen, so ihr Vorwurf.

Hinsichtlich der Erforschung der Herkunft von Gegenständen, Objekten, Sammlungen und Materialien aus kolonialen Erwerbskontexten wird seit einigen Jahren auch der Begriff Provenienzforschung verwendet. Der Deutsche Museumsbund formuliert in seinem Leitfaden Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten: "Eine Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit von Museen und ihren Sammlungen ist aus Sicht des Deutschen Museumsbundes unverzichtbar. Die meisten Museen sind sich ihrer Verantwortung bewusst und gewillt, eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Kolonialismus zu führen."

Auch die Stadt Düsseldorf sollte ihren Umgang mit der Kolonialgeschichte intensivieren, ein gesellschaftlicher Bewusstseinswandel in diesem Themenbereich ist dringend geboten. Die Stadt sollte ihren Beitrag dazu leisten, die Beziehung zwischen Herkunftsgesellschaften und Museen auf eine neue Basis zu stellen und eine postkoloniale Erinnerungskultur in Düsseldorf zu schaffen.

Mit freundlichen Grüßen

Julia Marmulla                 Anja Vorspel