Sexualisierte Gewalt an Düsseldorfer Schulen

Schulausschuss

Anfrage der Ratsfraktion DIE LINKE. Düsseldorf zur Sitzung des Schulausschusses am 27.08.2024 (SCHUA/059/2024):

Sexueller Missbrauch kann überall stattfinden – im familiären Kontext, aber auch in staatlichen wie in privaten Einrichtungen. Die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder ist deshalb eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Herausforderungen und Aufgabe des Staates.

Anfang Juli veröffentlichte das Bundeskriminalamt das „Bundeslagebild Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen“. Aus diesem geht hervor, dass in NRW 5.065 solcher Fälle im vergangenen Jahr erfasst wurden.

Von einer höheren Dunkelziffer ist auszugehen. Die Datenlage zum Thema ist alarmierend und Präventionsarbeit von großer Wichtigkeit.

Schulen kommt im Kampf gegen sexualisierte Gewalt eine wichtige Rolle zu. Sie gehören zum Alltag von Kindern und Jugendlichen und haben neben dem Bildungsauftrag auch einen Kinderschutzauftrag. Umso wichtiger ist es, Präventionsprogramme fest im Schulalltag zu verankern.

Die GEW fordert seit langem eine verpflichtende Einführung von Schutzkonzepten. Die Schulen sollen auch ein Ort sein, an dem Schüler: innen Hilfe finden, wenn sie im schulischen, betrieblichen, oder auch im privaten Umfeld sexualisierte Gewalt erleben.

DIE LINKE Ratsfraktion hatte im August 2022 im städtischen Schulausschuss nach bestehenden Angeboten und Präventionsprogrammen an Grundschulen angefragt (vgl. SCHUA/076/2022) und unterstützt die Forderung der GEW.

Zwar verpflichtet das 16. Schulrechtsänderungsgesetz vom Februar 2022 alle Schulen in NRW, ein so genanntes „Schutzkonzept“ gegen sexualisierte Gewalt vorzuweisen, und das Schulministerium stellt einen Leitfaden zur Entwicklung und praktischen Umsetzung von Schutzkonzepten und Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt an Schulen zur Verfügung, aber die Umsetzung erfolgt nicht ohne Schwierigkeiten. Laut Bericht der Rheinischen Post vom 23.Juli 2024 hatten die Landeselternschaften der Realschulen und Gymnasien Befragungen zum Umgang der Schulen mit Übergriffen durchgeführt. Die Ergebnisse waren besorgniserregend. Mehr als die Hälfte der Befragten Eltern gaben an, noch nie von Schutzkonzepten gehört zu haben. Weiterhin kritisierten die Elternschaften, dass vielen Befragten nicht einmal bekannt ist, an wen sich Betroffene innerhalb der Schule wenden können.

Damit Prävention und Intervention gelingen können, muss bestehenden Missständen entgegengewirkt werden und von städtischer Seite den Schulen die erforderliche Unterstützung bei der Umsetzung der Schutzkonzepte zukommen.

DIE LINKE Ratsfraktion Düsseldorf fragt an:

1. Wie viele Fälle sexualisierter Gewalt gab es nach Kenntnis der Stadtverwaltung in den vergangenen fünf Jahren an Düsseldorfer Schulen in kommunaler Trägerschaft (aufgeschlüsselt nach Schulform und Jahr)?

2. Wie funktioniert das Meldesystem an Düsseldorfer Schulen bei Vorfällen sexualisierter Gewalt und wie wird dieses bekannt gemacht bzw. wie wird dies beworben (bei Schülerschaft und Elternschaft)?

3. Welche weiteren Hilfsangebote bzw. Welche unterstützenden Maßnahmen gibt es auf Seiten der Stadt (für Betroffene und Schulen)?

Freundliche Grüße
Tanja Bernhard             René Engels
 

Antwort der Verwaltung durch den Beigeordenten Hintzsche:

Antwort zu Frage 1:
Eine Gesamteinschätzung zur Anzahl der Fälle sexualisierter Gewalt an Schulen ist der
Verwaltung nicht möglich. Es gibt keine generelle Meldepflicht von (sexualisierten)
Gewaltvorfällen an Schulen in NRW. Gemäß Runderlass „Zusammenarbeit bei der
Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ vom 19. November 2019, liegt die
Entscheidung zum Einbezug der Strafverfolgungsbehörden bei der jeweiligen
Schulleitung: „Für den Fall des Verdachts eines Vergehens prüft die Schulleitung, ob
pädagogische/schulpsychologische Unterstützung, erzieherische Einwirkungen
beziehungsweise Ordnungsmaßnahmen ausreichen oder ob wegen der Schwere der Tat
oder anderer gewichtiger Umstände […] eine Benachrichtigung der Polizei oder der
Staatsanwaltschaft erforderlich ist.“ Nur im Falle der Benachrichtigung der
Strafverfolgungsbehörden fließt ein Gewaltvorfall an einer Schule in die Polizeiliche
Kriminalstatistik (PKS) ein. Es erfolgt hier keine gesonderte Ausweisung im Kontext
Schule.

Antwort zu Frage 2:
In 2022 wurde durch das 16. Schulrechtsänderungsgesetz verfügt, dass jede Schule ein
„Schutzkonzept gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch“ erstellt. Die konkrete Planung,
Ausgestaltung und Umsetzung des Schutzkonzepts liegt dabei in der Verantwortung der
einzelnen Schule. Es besteht daher kein einheitliches Meldesystem an Düsseldorfer
Schulen bei Vorfällen sexualisierter Gewalt.

Die Landeshauptstadt Düsseldorf begleitet die Düsseldorfer Schulen bei Bedarf bei der
Erstellung eines Schutzkonzepts. Das Zentrum für Schulpsychologie und weitere Akteure
in der Präventionsarbeit halten sich dabei eng an das Vorgehen gemäß der
Bundeskampagne „Kein Raum für Missbrauch“ der Unabhängigen Beauftragten für
Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) sowie des KMK-Leitfadens
„Kinderschutz in der Schule“. Dort werden neun Bausteine für Schutzkonzepte an
Schulen vorgeschlagen, u.a. zu Beschwerdestrukturen an der Schule sowie einem
Interventionsplan für das Vorgehen im Verdachtsfall von sexualisierter Gewalt. Weiterhin
wird die Einbindung aller an der Schule vertretenen Personengruppen in den
Entwicklungsprozess empfohlen, also auch der Schülerschaft und der Elternschaft.
Laut 16. Schulrechtsänderungsgesetz bedarf das Schutzkonzept der Zustimmung der
Schulkonferenz. Diesem höchsten Gremium der Schule gehören Vertreterinnen und
Vertreter der Elternschaft sowie der Schülerinnen und Schüler an. Die weitere
Bekanntmachung und Bewerbung des Schutzkonzepts handhabt die jeweilige Schule
individuell, beispielsweise über Aushänge, die Homepage, Elternabende oder Einbindung
in den Unterricht.

Antwort zu Frage 3:
Das Zentrum für Schulpsychologie hat in den zurückliegenden beiden Schuljahren mehr
als 50 Düsseldorfer Schulen bei der Erstellung ihres Schutzkonzepts unterstützt. Es
bietet allen Düsseldorfer Schulen zudem Unterstützung bei der Auswahl geeigneter
gewaltpräventiver Programme und Maßnahmen unter Berücksichtigung der
Rahmenbedingungen der jeweiligen Schule an. Dies umfasst selbstverständlich auch den
Bereich der sexualisierten Gewalt. Zusätzlich werden eigene schulinterne sowie
schulübergreifende Fortbildungsangebote zur Verfügung gestellt, durch die Lehr- und
Fachkräfte im Themenbereich der Prävention sexualisierter Gewalt sensibilisiert und
weitergebildet werden. Im Rahmen des gewaltpräventiven Budgets des Zentrums für
Schulpsychologie ist eine finanzielle Förderung ausgewählter Projekte und Angebote an
Schulen möglich. Über den Kriminalpräventiven Rat können alle Grundschulen zudem
finanzielle Unterstützung für entsprechende theaterpädagogische Angebote erhalten.
Neben dem Zentrum für Schulpsychologie sind verschiedene weitere städtische und
außerstädtische Akteure an der Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt beteiligt.

Zu nennen sind unter anderem das Amt für Soziales und Jugend, das Junge Schauspielhaus, die Polizei Düsseldorf sowie Einrichtungen der freien Träger der Jugendhilfe. Die Unterstützung der Schulen erfolgt in enger Kooperation im Netzwerk.

Betroffene können sich mit ihren Fragen und Anliegen an das Zentrum für Schulpsychologie wenden, welches vertrauliche Beratung im Einzelfall für alle am Schulleben beteiligte Personen anbietet. In der Schule selber nehmen die Schulsozialarbeitenden eine wichtige Rolle als Ansprech- und Vertrauenspersonen sowie koordinierende Stellen der Präventions- und Schutzarbeit in Schule ein.

Weitere städtische Anlaufstellen sind die Fachstelle zur Stärkung der psychischen Gesundheit bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen des Gesundheitsamts, die Jugend- und Elternberatung sowie der Kinderschutzdienst und die Bezirkssozialdienste des Amts für Soziales und Jugend.

Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger profitieren zudem von verschiedenen spezialisierten Einrichtungen bei Fragen der sexualisierten Gewalt und des Kinderschutzes. Zu nennen sind hier etwa die Kinderschutzambulanz am EVK, das Childhood House an der Uniklinik, die Fachberatungsstelle für Familien mit Gewalterfahrung der Diakonie sowie sechs Fachberaterinnen bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, deren Stellen im Zuge einer vom MKJFGFI geförderten Maßnahme eingerichtet wurden.