Protest- und Gegenkultur in Düsseldorf

Kulturausschuss

Anfrage der Fraktion DIE LINKE.Düsseldorf zur Sitzung des Kulturausschusses am 28. Juni 2018:

„Das Stadtarchiv Düsseldorf ist das historische Gedächtnis der Stadt“ – so wird unter anderem die Aufgabe und Funktion des Stadtarchives auf der städtischen Internetseite beschrieben. Dort werden „Nachlässe, Sammlungen und Archive von Privatpersonen, Firmen, Vereinen und Einrichtungen, die für die Geschichte von Düsseldorf von Bedeutung sind“ archiviert. 

Neben der gängigen Sicht auf die Geschichte Düsseldorfs gibt es jedoch auch die sogenannte „Geschichte von unten“. Allerdings wird die Protest- und Gegenkultur nach 1945 in Düsseldorf fast gänzlich vernachlässigt. Weder auf der städtischen Internetseite noch in den Düsseldorfer Jahrbüchern des Düsseldorfer Geschichtsvereins wird auf diese Protestkultur eingegangen und über diese informiert.

Aber gerade diese Protestkultur hat Düsseldorf geprägt und beeinflusst: Die Hungerdemonstrationen 1947, die Kämpfe gegen Wiederbewaffnung zu Beginn der 1950er Jahre, die erfolgreichen Proteste gegen die Zerstörung des Hofgartens Anfang der 1960er Jahre, die Studenten- und Schülerproteste Ende der 1960er Jahre, der Widerstand gegen Atomenergie in den 1970er Jahren und die Hausbesetzungen in den 1980er Jahren. Insbesondere zeigen die antifaschistischen, antirassistischen und feministischen Initiativen, die es teilweise bis heute gibt, dass in Düsseldorf immer schon eine vielfältige Protestkultur vorhanden war.

Andere Städte gehen mit ihrer jüngeren Geschichte der Protest- und Gegenkultur wesentlich aufgeschlossener um. Das Münchener Stadtarchiv zeigte schon 2011 mit „München protestiert!“ eine erste Ausstellung zur Protestkultur und hat seitdem verschiedene Ausstellungen zur jüngeren „Geschichte von unten“ gezeigt. Stuttgart zeigt aktuell die Ausstellung „Kessel unter Druck“ zu Protesten in Stuttgart zwischen 1945 und 1989. Den Worten des Stuttgarter Stadtarchivleiters Müller ist nichts hinzuzufügen „Protest ist Teil lebendiger Stadtentwicklung und Menschenrecht in der Demokratie.“

DIE LINKE Ratsfraktion Düsseldorf fragt an:

  1. Sammelt das Stadtarchiv gezielt Materialien (Plakate, Broschüren, Flyer, Fotos, etc.) zur Protest- und Gegenkultur nach 1945 und wenn, in welchem Umfang?
     
  2. Falls bisher kein Material zur Protest- und Gegenkultur gesammelt wird, ist eine zukünftige Archivierung geplant? Wenn nein, warum nicht?
     
  3. Ist geplant, dass das Stadtarchiv Ausstellungen und Veröffentlichungen zum Thema Protest- und Gegenkultur durchführen wird?

Mit freundlichen Grüßen
 

Peter Ulrich Peters                             Daniela Dauner                  Olaf Nordsieck   

 

Antwort der Verwaltung am 28.06.2018 (Beigeordneter Lohe)

Vorbemerkung zur Beantwortung der Fragen 1 bis 3:
Die Arbeit des Stadtarchivs fußt auf dem Archivgesetz NRW und der Satzung des Stadtarchivs der Landeshauptstadt Düsseldorf.
Laut der Archivsatzung des Stadtarchivs Düsseldorf (§ 2, Abs. 1) sowie dem Archivgesetz NRW (§2, Abs. 6) in seiner Fassung vom 30.09.2014 wird den Archiven – auch den Kommunalarchiven – ein exklusives Bewertungsrecht zugeschrieben.
Dies bedeutet, dass die Politik keinen bestimmenden Einfluss darauf nehmen kann, was archiviert wird oder auch nicht archiviert werden soll. Diese Entscheidung obliegt allein dem Archiv. Gerne nimmt das Stadtarchiv Anregungen an und entscheidet in der Folge, welche Materialien archivwürdig sind oder nicht.
Hinsichtlich der Übernahme historisch und juristisch relevanter Unterlagen muss zwischen einer Anbietungspflicht städtischer Behörden und der fakultativen Übernahme von schriftlichem Kulturgut jenseits der Stadtverwaltung (etwa von Vereinen, Verbänden und natürlichen Personen) unterschieden werden (sog. „Sammlungsgut“): Die Unterlagen der Stadtverwaltung müssen dem Stadtarchiv angeboten und durch dieses bewertet werden, was erhebliche personelle Ressourcen bindet. Alle anderen Unterlagen sind kein Schriftgut der Stadtverwaltung, weshalb das Stadtarchiv auch keine Anbietungspflicht geltend machen kann. Gleichwohl unterhält es einen eigenen Sammlungsbereich, in dem sich idealiter das gesamte Spektrum gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, kultureller, sozialer Vergangenheiten etc. spiegelt – zum Teil werden diese Bereiche auch schon
durch das Schriftgut der Stadtverwaltung mit abgedeckt.
Dies kann aber allein schon aus Gründen der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht dazu führen, dass das Stadtarchiv alle denkbaren Bereiche vollumfänglich dokumentiert – dies würde alle Dimensionen sprengen. Für den gesamten Sammlungsbereich steht eine Vollzeitstelle zur Verfügung. Eine Archivierung kann nur – und das ist gegenwärtiger Stand der Archivwissenschaften – ausschnittweise, repräsentativ und exemplarisch vor dem Hintergrund der Aussagekraft des angebotenen Quellenmaterials erfolgen. Eine Totalarchivierung aller denkbaren gesellschaftlichen Strömungen ist daher ausgeschlossen.

Antwort zu Frage 1: Ja, das Stadtarchiv sammelt die oben genannten Materialien. Zudem konnten auch in der städtischen Überlieferung (Ämterablieferungen) zahlreiche Bezüge festgestellt werden.
Eine Datenbankabfrage zu folgenden drei Suchbegriffen führte zu folgenden Trefferergebnissen:
Demonstrationen: 282
Protest: 210
Bürgerinitiativen: 103
Überschlägig etwas mehr als 100 Plakate konnten diesen Themenbereichen zugeschrieben werden, Broschüren, Flyer und Fotos ca. 300.
Darüber hinaus befinden sich im Stadtarchiv eigene Bestände zum Thema „Friedensbewegung“, „Frauenbewegung“ sowie zu mehreren Bürgerinitiativen.
Zusammen mit einschlägigen Zeitungen und Broschüren können überschlägig mindestens 20 Regalmeter den in der Anfrage genannten Themenbereichen zugeschrieben werden.
Zudem befindet sich das „Archiv“ der Düsseldorfer Geschichtswerkstatt, die sich zum Zeitpunkt ihrer Gründung speziell der „Geschichte von unten“ verschrieben hatte, im Stadtarchiv. Das Gleiche gilt für Teile des ehemals an der HHU ansässigen „Frauen-Kultur-Archivs“.
Somit ist das Stadtarchiv als Informationsdienstleister dazu in der Lage, umfangreiches Material zu den in der Anfrage genannten Bereichen studentischer Protest, Friedensbewegung, Demonstrationen, Anti-Atomkraft-Bewegung, Emanzipation, politischer Protest etc. zur Verfügung zu stellen. Je nach Fragestellung und Forschungstiefe wären aber natürlich auch andere Archive zu konsultieren: Für die Studentenbewegung etwa Universitätsarchive, bei überregional aktiven Vereinen das Landesarchiv NRW sowie das „Archiv für alternatives Schrifttum (afas)“ in Duisburg, das bundesweit sammelt, aber einen regionalen Schwerpunkt auf das Geschehen in NRW hat. Dort finden sich auch Archivalien zu Düsseldorfer Betreffen. Die Recherche vor Ort muss aber zwangsläufig durch die Forschenden selbst erfolgen.

zu Frage 2: siehe Antwort zu Frage 1

zu Frage 3: Bei der in der Anfrage genannten Ausstellung des Stuttgarter Stadtarchivs wurden 400 Exponate gezeigt.
Das Stadtarchiv Düsseldorf verfügt jedoch nicht über Ausstellungsflächen, um die in der Anfrage angeregten Ausstellungen zu realisieren.
Vitrinen können nicht aufgestellt werden, es gibt lediglich in einem Gangbereich, der gleichzeitig Fluchtweg ist, die Möglichkeit, einige Bilderrahmen aufzuhängen. Sofern ein Düsseldorfer Museum eine größere Ausstellung realisieren möchte, würde sich das Stadtarchiv in bewährter Qualität und wie immer mit hohem Engagement selbstverständlich daran beteiligen. Möglicherweise eröffnet das 2021 fertiggestellte Kulturzentrum „KAP 1“ perspektivisch Ausstellungsmöglichkeiten im Bereich der Stadtbüchereien. Im November 2018 wird das Stadtarchiv gemeinsam mit dem
Gleichstellungsbüro eine Ausstellung zum Thema „Entwicklung der Frauenrechte 1918-2018“ im Rathaus präsentieren.
Eine eigenständige, wissenschaftlich belastbare Publikation dem im Antrag genannten Themenkomplex ist momentan nicht geplant und aus personellen Gründen derzeit auch nicht realisierbar. Gerne unterstützt das Stadtarchiv als zentraler städtischer Informationsdienstleister auch zukünftig alle Forschenden, die sich mit diesem Thema beschäftigen möchten. Hierfür steht im Stadtarchiv ein Lesesaal zur Verfügung. Bereits in vorliegenden Publikationen (Das große Düsseldorf-Lexikon; Düsseldorfer Erinnerungsorte) haben das Stadtarchiv bzw. der DGV auch Themen aus dem Bereich Protest- und Gegenkultur in den Blick genommen. Der in Zusammenarbeit von Gleichstellungsbüro und Stadtarchiv entstandene Stadtplan „Frauenwege in Düsseldorf“ thematisiert auch die Geschichte der Emanzipation. Im vergangenen Jahr und 2018 konnte das Stadtarchiv zudem zahlreiche Anfragen zu Exponaten und Quellen hinsichtlich des Jubiläums „1968“ positiv beantworten.
Der Düsseldorfer Geschichtsverein ist ein eigenständiger Verein, der sehr eng mit städtischen Kultureinrichtungen kooperiert. Der Leiter des Stadtarchivs ist stellv. Vorsitzender und Schriftleiter des Düsseldorfer Geschichtsvereins. Allerdings bestimmt er nicht alleine über bspw. Buchprojekte, dies entscheidet der gesamte Vorstand. Sofern sich Autorinnen oder Autoren finden sollten bzw. anbieten würden, zu den im Antrag genannten Themen im Düsseldorfer Jahrbuch oder anderen Formaten des DGV unentgeltlich wissenschaftlich publizieren zu wollen, wird sich der DGV diesem Angebot sicherlich nicht verschließen.