Umweltschonende Bestattungsformen

Ausschuss für öffentliche Einrichtungen, Stadtökologie, Abfallmanagement und Bevölkerungsschutz

Anfrage der Ratsfraktion DIE LINKE Düsseldorf zur Sitzung des Ausschusses für öffentliche Einrichtungen, Stadtökologie, Abfallmanagement und Bevölkerungsschutz am 25.04.2022 (AÖE/018/2022):

Das Thema rund um den Tod und die letzte Ruhestätte beschäftigt viele Menschen. Dabei befindet sich die Bestattungskultur in einem Wandel. Insbesondere betrifft dieser Wandel die Art der Bestattung.

Kommunale Friedhöfe nehmen dabei eine besondere Rolle ein. Dazu schreibt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), Dr. Gerd Landsberg, in einem Vorwort zur DStGB-Dokumentation Nr. 64, Friedhöfe im Wandel der Zeit: „In Deutschland gibt es mehr als 32.000 Friedhöfe, die von den Kommunen und den Religionsgemeinschaften betrieben werden. Hier überall macht sich bemerkbar, dass eine stärkere Individualität der Gesellschaft auch zu anderen und neuen Bedürfnissen bei Bestattungen und Gedenken führt. Auch die Kommunen – die der Bevölkerung das Versprechen geben, von der Wiege bis zur Bahre zu begleiten – müssen ihre Friedhöfe an die neuen Zeiten, in erster Linie aber an die Erwartungen ihrer Bürgerinnen und Bürgern anpassen, wenn sie nicht in eine Spirale aus Leerstand und Gebührenerhöhung rutschen wollen. Um die kommunalen Friedhöfe zu bewahren, müssen sie vor Ort gemeinsam mit der Zivilgesellschaft weiterentwickelt werden.“

Die Stadt Düsseldorf gibt auf ihrer Internetseite einen Überblick über die möglichen Bestattungsformen und Grabarten auf den Düsseldorfer Friedhöfen. Darüber hinaus gibt es ein Friedhofsentwicklungskonzept, welches einerseits bemüht ist den Wandel in der Bestattungskultur zu berücksichtigen, auf individuelle Wünsche einzugehen und andererseits zu stabilen Friedhofsgebühren beizutragen.

Durch den Klimawandel wächst das Bewusstsein für die Auswirkungen der eigenen Lebensweise auf die Umwelt. Dabei gewinnt auch die Frage an Bedeutung, welchen ökologischen Fußabdruck der eigene Tod hinterlässt. Dies führt zu einem Umdenken und zur Entwicklung neuer Bestattungsformen. Aktuell wird in einem Pilotprojekt in Mölln eine neuartige und klimafreundliche Bestattungsform, die so genannte Reerdigung, erprobt. Dabei wird der Körper innerhalb von 40 Tagen vollständig in fruchtbare Erde transformiert und im Anschluss in ein einem Grab beigesetzt. Angehörige können darauf etwas pflanzen und die Grabstelle nach den Wünschen der verstorbenen Person gestalten. Im Vergleich zur Feuerbestattung spare diese bei jedem Verstorbenen rund eine Tonne CO2 ein.

Städtische Friedhöfe sollten Antworten auf die Fragen der Zeit geben und die aktuellen Entwicklungen aufgreifen. Die Offenheit vieler Menschen gegenüber neuen und insbesondere klimafreundlichen Bestattungsmöglichkeiten, sollte berücksichtigt werden. Die Reerdigung bietet dazu eine neue Möglichkeit.

DIE LINKE Ratsfraktion fragt an:

  1. Welche organisatorischen und rechtlichen Voraussetzungen, u.a. in der Friedhofsordnung, müssten seitens der Stadt Düsseldorf geschaffen werden, um ein Pilotprojekt der klimafreundlichen Bestattung (wie der Reerdigung) auf städtischen Friedhöfen zu ermöglichen?
     
  2. Welche bezifferbaren umwelt- und klimapolitischen Auswirkungen wären zu erwarten, wenn das Angebot der Reerdigung in zehn Prozent aller Sterbefälle in Düsseldorf genutzt würde?
     
  3. Ist auf städtischer Seite geplant, das Angebot um solche Bestattungsform zu erweitern, sich mit klimafreundlichen Bestattungsformen auseinanderzusetzen und bei den Düsseldorfer:innen dafür zu werben? Wenn ja, bitte konkretisieren, wenn nein, warum nicht?

Mit freundlichen Grüßen
Sigrid Lehmann                        Julia Rupp                               Olaf Nordsieck


Antwort der Verwaltung durch die Beigeornete Frau Stulgies:

Antwort zu Frage 1:
Grundsätzlich regelt das Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz - BestG NRW) die rechtlichen Möglichkeiten einer Bestattung in Nordrhein-Westfalen. Gemäß § l'Abs. 1 BestG NRW gewährleisten die Gemeinden, dass Tote (Leichen, Tot- und Fehlgeburten) auf einem Friedhof bestattet und ihre Aschenreste beigesetzt werden können. Gemäß § 4 Abs. 1 BestG NRW regeln die Friedhofsträger durch Satzung Art, Umfang und Zeitraum der Nutzung und Gestaltung ihres Friedhofs und dessen Einrichtungen, insbesondere die Aufbewahrung der Toten und der Totenasche bis zur Bestattung, die Durchführung der Bestattung sowie die Höhe der Gebühren oder Entgelte für die Nutzung des Friedhofs und dessen Einrichtungen. Die Aspekte Totenwürde und Gesundheitsschutz sind in § 7 BestG NRW näher ausgeführt.

Das Unternehmen Circulum Vitae GmbH, das eine sogenannte Reerdigung unter der Marke „Meine Erde" anbietet, hat seinen Sitz in Berlin und führt bundesweit ein erstes Pilotprojekt auf einem evangelischen Friedhof in Mölln durch. Verstorbene werden in speziellen Gefäßen (sogenannten Kokons) auf Blumen, Grünschnitt und Stroh gebettet und in sogenannte Waben verbracht, in denen sie 40 Tage lang unter Sauerstoffzufuhr belüftet werden. Innerhalb dieses Zeitraums wird laut Unternehmensangaben der Kokon und damit der Leichnam mehrfach gedreht, wodurch die vorhandene Feuchtigkeit gleichmäßig verteilt werden soll. Das Unternehmen beschreibt die Reerdigung als eine beschleunigte Erdbestattung.

Aus Sicht der Verwaltung stellen sich in diesem Zusammenhang grundsätzliche Fragen, ob ein Transformationsprozess in 40 Tagen den Anforderungen des BestG NRW entspricht und ob das regelmäßige Drehen eines Verstorbenen dem Aspekt der Totenwürde gerecht wird.

Bislang gibt es für dieses spezielle Projekt eine rechtliche Bewertung und Ausnahme lediglich vom Land Schleswig-Holstein. Der Verwaltung liegen für das Land Nordrhein-Westfalen keine Erkenntnisse seitens des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vor.

Da die Bestattungsgesetze durch die einzelnen Bundesländer erlassen werden, sieht die Verwaltung zum jetzigen Zeitpunkt keine Möglichkeit, ein solches Angebot im Rahmen der lokalen Friedhofssatzung umzusetzen.

Antwort zu Frage 2:
Das Unternehmen stellt auf seiner Webseite dar, dass bei einer sogenannten Reerdigung eine Tonne Co2 weniger als bei einer Einäscherung anfallen würde. Belastbare Untersuchungen und Studien dazu sind der.Verwaltung nicht bekannt. Feststellen lässt sich jedoch, dass die Reerdigung lediglich im Verhältnis zu einer Einäscherung gesehen werden kann. Eine klassische Sargbestattung erfordert keine technische Unterstützung oder Energiezufuhr und dürfte im Verhältnis sowohl zu einer Einäscherung als auch zu einer Reerdigung nachhaltig und klimafreundlich sein.

Antwort zu Frage 3:
Die Verwaltung plant derzeit nicht, beispielsweise eine Reerdigung anzubieten.
Wie in den Antworten zu den zu Fragen 1 und 2 bereits ausgeführt, bedarf es aus Sicht der Verwaltung . zunächst einer grundsätzlichen Einschätzung des Gesundheitsministeriums. An dieser Stelle müssten auch die Fragen zur Totenruhe und Totenwürde sowie zu den gesetzlichen Ruhefristen behandelt und abgewogen werden. Das Unternehmen Circulum Vitae GmbH ist privatwirtschaftlich und damit gewinnorientiert ausgerichtet. Friedhöfe würden lediglich als Partner im Rahmen der „Transformation" für die Unterstellung der Waben in sogenannten Alvarien und für die Bereitstellung der notwendigen Technik benötigt. Laut Unternehmen; kostet die Reerdigung 2.100 EUR, weitere Friedhofskosten sind darin noch nicht enthalten.