Angemessene Wohnungsgrößen und Unterkunftskosten für Hartz-IV-BezieherInnen

Ausschuss für Gesundheit und Soziales

Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales am 04.05.2011:

Die Unterkunftskosten von Hartz-IV-BezieherInnen werden vom Jobcenter in der Regel nur in vollem Umfang übernommen, wenn die Wohnung als „angemessen“ gilt. Angemessen ist sie, wenn sie den Richtwert, der sich zusammensetzt aus der personenabhängigen Quadratmeterzahl und eines anzusetzenden Quadratmeterpreises nicht überschreitet.

Demnach sind zur Bestimmung der „Angemessenheit“ einer Wohnung in Düsseldorf, ein vorher festgelegter Quadratmeterpreis und eine vorher festgelegte Quadratmeterzahl erforderlich:

Quadratmeterpreis
Der anzusetzende Quadratmeterpreis orientiert sich an den örtlichen Gegebenheiten und ist in Düsseldorf aufgrund einer Erhebung im Frühjahr 2009 festgelegt worden. Er beträgt zurzeit 7,70 Euro inklusive Nebenkosten (aber ohne Heizkosten) bei Neuanmietung.

Quadratmeterzahl
Die anzusetzende Quadratmeterzahl wurde – wie auch der Wohnberechtigungsschein – in NRW bis Ende 2009 nach dem Wohnungsbindungsgesetzes bestimmt und lag bei 45 m². Mit dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum NRW ist diese Bestimmung jedoch außer Kraft getreten.

Da am 1.1.2010 die Wohnungsgrößen für den Wohnberechtigungsschein um fünf Quadratmeter auf 50 m² angehoben wurden, hat sich die Frage ergeben, ob diese Erhöhung auch für die angemessene  Quadratmeterzahl bei Hartz-IV gilt. Dies wurde durch eine Arbeitshilfe des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales vom 1.3.2010 verneint. In dieser Arbeitshilfe wurde sich bezüglich der Quadratmeterzahl für BezieherInnen von Hartz-IV jetzt auf die Wohnraumförderungsbestimmungen gestützt. Die Wohnungsgrößen sind deshalb nur um zwei Quadratmeter auf 47m² erhöht worden.

Als Empfehlung (keine verbindliche Vorschrift) zur Festlegung der Quadratmeterzahl ist nach nur sieben Monaten zum 1.10.2010 eine neue Arbeitshilfe des Landes veröffentlicht worden. Diese verwirft obige Regelung und gibt an, dass die Festlegung der Quadratmeterzahl nach den Wohnraumförderungsbestimmungen doch nicht anzuwenden sei (siehe BSG-Urteil v. 17.12.2009, Az.: 4 AS 26/09 R). Als neue Festlegung der Quadratmeterzahl wird diese jetzt jedoch nicht an die Höhe des Wohnberechtigungsscheins gekoppelt, was 50 m² bedeuten würde. Das Ministerium legt jetzt wieder die alte Quadratmeterzahl zugrunde, die für Hartz-IV-BezieherInnen und für den Wohnberechtigungsschein bis Ende 2009 gegolten hat, also 45 m².

Als Begründung für die Abkehr von der Bezugnahme auf die Wohnraumförderungsbestimmungen und die erneute Festlegung auf 45 m², bezieht sich das Ministerium auf ein Urteil des LSG NRW vom 29.04.2010 (L 9AS 58/08). Dieses besagt, dass nicht die Wohnraumförderungsbestimmungen, sondern das Wohnungsbindungsgesetz anzuwenden sei. Dies ist aber, wie beschrieben, nicht mehr in Kraft. Dass das Urteil sich auf eine veraltete Bestimmung bezieht liegt daran, dass es sich um ein Urteil zu einem Fall handelt, in dem über einen Zeitraum von Dezember 2006 bis April 2007 zu entscheiden war.

Düsseldorf setzt mittlerweile wieder – obwohl das Wohnungsbindungsgesetz außer Kraft ist – 45 m² als angemessene Quadratmeterzahl an.

Richtwert
Durch diese Festlegung auf 45m² verringert sich der Richtwert im Vergleich zu einer Quadratmeterzahl entsprechend des Wohnberechtigungsscheins wie folgt:

Personenzahl     Quadratmeterzahl     Quadratmeterpreis              Richtwert

        1                         45 m²          x       7,70 Euro        =        347,00 Euro

        1                         50 m²          x       7,70 Euro        =        385,00 Euro

Somit liegt der Richtwert in Düsseldorf bei angesetzten 45 m² fast 40,00 Euro niedriger, als wenn 50 m² angesetzt werden würden.

Zum Richtwert ist abschließend noch anzumerken, dass dieser rechtlich nicht den Charakter einer Pauschale hat. In der letzten Arbeitshilfe des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales vom 1.10.2010 heißt es hierzu: „Als unbestimmter Rechtsbegriff bedarf die Angemessenheit der Unterkunftskosten einer gesetzeskonformen Auslegung, die eine Einzelfallprüfung voraussetzt und in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Angemessenheit des Umfangs der Aufwendungen ist an den Besonderheiten des Einzelfalles zu messen. Grundsätzlich ist dabei ein konkret-individueller Maßstab anzulegen. Der Richtwert für den Mietpreis hat nicht den Charakter einer Pauschale, da er weder Abgeltungswirkung noch eine tatsächlich begrenzende Wirkung hat. Vielmehr soll er eine Orientierung bieten.“

Da der Richtwert in der Praxis jedoch in der Regel die ausschlaggebende Größe zur Bewilligung einer Wohnung sein dürfte, kommt eine Kürzung dieses (z.B. durch Kürzung der angemessenen Quadratmeterzahl), einer Kürzung der zulässigen Unterkunftskosten gleich.

DIE LINKE. Ratsfraktion Düsseldorf fragt an:

  1. Warum wurde – trotz der dargestellten Widersprüche – der Richtwert in Düsseldorf gekürzt, obwohl es sich bei der Arbeitshilfe des Landes nur um eine Empfehlung handelt und nicht um eine absolut verbindliche Vorschrift?
  1. Wie viele „Kostensenkungsaufforderungen“ hat es seit der Einführung von Hartz-IV in Düsseldorf gegeben (bitte nach Jahreszahlen auflisten) und welche Folgen haben diese für die Betroffenen gehabt?
  1. Wie sieht die Prüfung aus, um die Angemessenheit der Unterkunftskosten im Einzelfall sicherzustellen und wie werden die Betroffenen darüber informiert, dass der Richtwert nicht den Charakter einer Pauschale hat, sondern nur eine Orientierung bieten soll?

Freundliche Grüße

 

Angelika Kraft-Dlangamandla                Cornelia Schlemper                  Adrian Müller-Gehl


Beantwortung der Anfrage durch die Verwaltung:

 

Frage 1:
Warum wurde - trotz der dargestellten Widersprüche - der Richtwert in Düsseldorf gekürzt, obwohl es sich bei der Arbeitshilfe des Landes nur um eine Empfehlung handelt und nicht um eine absolut verbindliche Vorschrift?

Antwort:
Seit Dezember 2010 wurden die den Mietrichtwerten zugrundeliegenden Wohnungsgrößen um zwei Quadratmeter reduziert und damit wieder auf den Stand vor dem 01.02.2010 zurückgeführt. Wie bereits zum Inkrafttreten des SGB II in 2005 sind damit wieder 45 qm für eine Einzelperson zzgl. 15 qm für jede weitere Person angemessen. Im Übrigen gilt, dass das SGB II in Nordrhein-Westfalen durch die Kommunen als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung durchgeführt wird. Deshalb haben eindeutige Hinweise des Landes zur Bestimmung von angemessenen Wohnflächen in einer Arbeitshilfe nicht nur empfehlenden Charakter. Sie sind vielmehr als verbindliche Vorgaben zu betrachten, die eine einheitliche Verwaltungspraxis im Land sicherstellen sollen. Es ist nicht ersichtlich, dass in Düsseldorf örtliche Besonderheiten vorliegen, die eine Abweichung rechtfertigen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Verwaltung seit 1998 im Abstand von zwei bis drei Jahren regelmäßig eine Erhebung durchführt, um einen Richtwert für die angemessene Bruttokaltmiete festzulegen. Dieser Turnus hat sich bewährt, um Preissteigerungen im für das SGB II angemessenen unteren Marktsegment ausreichend abgesichert aufzugreifen. Die Erhebung der Verwaltung wurde zuletzt im Mai 2009 durchgeführt und bildet die Marktpreise mit einem Richtwert von 7,70 Euro Bruttokaltmiete pro Quadratmeter aktuell weiterhin sachgerecht ab. Auch der in Düsseldorf von Mieter- und Wohnungseigentümerverbänden herausgegebene Mietspiegel folgt dem Anpassungsrhythmus von zwei bis drei Jahren. Der aktuelle Mietspiegel datiert aus Januar 2009. Derzeit liegen zudem keine Erkenntnisse vor, die begründen, dass zu den festgelegten Bruttokaltmieten in Düsseldorf Wohnraum nicht angemietet werden kann. Das Amt für Wohnungswesen vermittelt regelmäßig entsprechende Wohnungen. Auch bei im Einzelfall und anlassbezogen durchgeführten Zeitungs- und Internetrecherchen lassen sich 2 entsprechende Wohnungen finden. Gleichwohl ist zu beachten, dass von den Wohnungsverbänden für 2011 ein neuer Mietspiegel angekündigt wurde. Die Verwaltung beabsichtigt deshalb nach Veröffentlichung des neuen Mietspiegels die Vermieterumfrage turnusmäßig durchzuführen und den aktuellen Mietrichtwert für die Bruttokaltmiete zu überprüfen.


Frage 2:
Wie viele Kostensenkungsaufforderungen hat es seit Einführung von Hartz IV in Düsseldorf gegeben (bitte nach Jahreszahlen auflisten) und welche Folgen haben diese für die Betroffenen gehabt?

Antwort:
Für die nachgefragten Daten besteht keine gesetzliche Erhebungspflicht. Insoweit liegen valide statistische Auswertungen in der nachgefragten Form nicht vor. Im Jobcenter werden Fälle, in denen Unterkunftskosten unangemessen sind, auf unterschiedlichste Weise in einem geregelten Verfahren -dem sogenannten Miethöchstverfahren- einer Lösung zugeführt. Dabei sind in der Regel folgende Fallkonstellationen festzustellen. · Senkung der Bruttokaltmiete durch den Vermieter · Untervermietung oder Zuzug einer weiteren Person · Wegfall der Hilfebedürftigkeit durch Integration in den Arbeitsmarkt · Umzug in eine andere Wohnung.


Frage 3:
Wie sieht die Prüfung aus, um die Angemessenheit der Unterkunftskosten im Einzelfall sicherzustellen und wie werden die Betroffenen darüber informiert, dass der Richtwert nicht den Charakter einer Pauschale hat, sondern nur eine Orientierung bieten soll?

Antwort:
Gemäß § 22 Absatz 1 des SGB II werden als Kosten für Unterkunft und Heizung die tatsächlichen Kosten übernommen, soweit sie angemessen sind. Sowohl in der Arbeitshilfe des Landes als auch in den städtischen Bearbeitungshinweisen für das Jobcenter wird dieser unmittelbar im Gesetz festgeschriebene Einzelfallgrundsatz für die Bewilligungspraxis konkretisiert. So wird beispielsweise bereits in der Präambel der städtischen Richtlinie ausgeführt, dass die gründliche Prüfung des Einzelfalles wichtig ist und die Angemessenheit der Unterkunftskosten an den Besonderheiten des Einzelfalles zu messen ist. Die Betroffenen werden anlassbezogen und individuell zur Thematik der angemessen Unterkunftskosten beraten. In diesem Zusammenhang werden auch Gründe wie beispielsweise Behinderung, Pflegebedürftigkeit oder vorübergehender Leistungsbezug erörtert, die zur Übernahme von Unterkunftskosten oberhalb der Mietrichtwerte führen können