Gentrifizierung in Düsseldorf

Rat

Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Sitzung des Rates am 17.03.2011:

In den letzten Jahren hat sich der aus dem Englischen entlehnte Begriff Gentrifizierung „eingebürgert“. Er beschreibt bestimmte, in der Stadtsoziologie bereits umfangreich erforschte Prozesse der „Aufwertung“ meist innenstadtnaher, durchsanierter oder sanierungsbedürftiger Altbauquartiere, die innerhalb recht kurzer Zeit zu einer Verdrängung größerer Teile der alteingesessenen Bewohnerschaft und der kleinen Gewerbetreibenden zugunsten einer (deutlich) einkommensstärkeren Klientel führen.

Die damit einhergehenden Phänomene sind galoppierende Mietpreiserhöhungen und eine vergleichsweise hohe Zahl von ehemals günstigen Mietwohnungen, die in „hochwertige“ Eigentumswohnungen umgewandelt werden. NutznießerInnen der Gentrifizierung sind zuvorderst Spekulanten, aber auch die neuen BewohnerInnen von teuren Miet- oder auch „edelsanierten“ Eigentumswohnungen. Opfer dieser sogenannten „Aufwertung“ sind überwiegend Menschen mit geringem Einkommen, TransferleistungsempfängerInnen, Familien sowie Menschen ohne deutschen Pass. Der teilweise schnell ablaufende Bevölkerungswandel führt zu nachhaltigen sozialen und kulturellen Verwerfungen und bedroht im Einzelfall die Identität und die gewachsenen Strukturen ganzer Quartiere.

Wohnungsbau in Düsseldorf findet fast ausschließlich in hochpreisigen Segmenten statt. Gleichzeitig werden Angebote  im sozialen und kostengünstigen Wohnungsbau immer mehr reduziert. Bestehende Bevölkerungsmischungen werden aufgehoben, ohne dass die Stadt Düsseldorf diese Tendenz aufhält. Im Gegenteil, es drängt sich der Verdacht auf, dass diese Entwicklung gewollt ist und nur noch gutverdienende bzw. vermögende Menschen in Düsseldorf willkommen sind.

In diesem Zusammenhang stelle ich folgende Anfrage:

  1. Was verbindet die Verwaltung mit dem Begriff Gentrifizierung und in welchen Zusammenhängen bzw. Konzepten findet er bereits Verwendung?
  1. Warum wird den Erscheinungen und Folgen der Gentrifizierung im Stadtentwicklungskonzept vonseiten der Verwaltung eine so geringe Beachtung geschenkt?
  1. Gibt es in der Verwaltung Abteilungen, die sich speziell mit den Phänomenen der Gentrifizierung beschäftigen?
    Wenn ja, um welche Abteilungen handelt es sich, wie viele Personen arbeiten dort und wo sind etwaige Ergebnisse einsehbar?
    Wenn nein, warum nicht?

Freundliche Grüße

 

Ergün Durmus


 

Antwort der Verwaltung durch den Beigeordneten Kruse:

Frage 1:
Was verbindet die Verwaltung mit dem Begriff Gentrifizierung und in welchen Zusammenhängen bzw. Konzepte findet er bereits Anwendung?

Antwort:
Der Begriff der Gentrifizierung geht auf ein Modell aus der Stadtsoziologie zurück und wird seither zur Charakterisierung sozialräumlicher Entwicklungsprozesse von Stadtquartieren benutzt. Heute wird dieser Begriff in der Öffentlichkeit vielfach im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung angeführt, um – vereinfacht gesagt – eine Veränderung eines Quartiers, insbesondere hinsichtlich der Bausubstanz, der Sozialstruktur der Bewohner, der Infrastruktur und des Images des Quartiers zu beschreiben.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Entwicklung einer Stadt immer mit Veränderung verbunden ist. Eine Stadtentwicklung, die die Anforderungen und Ansprüche aller Bevölkerungsgruppen und -schichten berücksichtigt, muss sich der Herausforderung stellen, mit sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Differenzen umzugehen. Da die Zusammenhänge und Entwicklungen, die die Veränderungen bewirken, sehr komplex sind, ist es vor allem wichtig, die Entwicklungen im Wohnungsmarkt und in der Bevölkerung nach objektiven Gesichtspunkten zu beobachten, unabhängig davon, ob sie bestimmten Begrifflichkeiten zuzuordnen sind. Dies erfolgt an verschiedenen Stellen der Verwaltung, z.B. im Rahmen der Wohnungsmarktbeachtung und der Sozialräumlichen Gliederung. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse werden in der laufenden Verwaltungstätigkeit genutzt, um negativen Entwicklungen entgegenzusteuern und positive Entwicklungen zu stützen.


Frage 2:
Warum wird den Erscheinungen und Folgen der Gentrifizierung im Stadtentwicklungskonzept vonseiten der Verwaltung eine so geringe Beachtung geschenkt?

Antwort:
Die Verwaltung schenkt den Erscheinungen und Folgen der Gentrifizierung im Stadtentwicklungskonzept die angemessene Bedeutung.
Der Begriff der Gentrifizierung wurde im STEK nicht als gesondertes Thema aufgriffen, die Wirkungen der Gentrifizierung sind jedoch in verschiedene Handlungsfelder eingeflossen.


Frage 3:
Gibt es in der Verwaltung Abteilungen, die sich speziell mit den Phänomenen der Gentrifizierung beschäftigen? Wenn ja, um welche Abteilungen handelt es sich, wie viele Personen arbeiten dort und wo sind etwaige Ergebnisse einsehbar? Wenn nein, warum nicht?

Antwort:
Wie in der Beantwortung zu den Fragen 1 und 2 bereits ausgeführt, wurden und werden die Aspekte von Gentrifizierung an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Konzepten durch die Verwaltung berücksichtigt. Dies trägt auch der Komplexität von sozialräumlichen Veränderungsprozessen Rechnung, von denen unterschiedliche Fachbereiche tangiert sind.
Es besteht von daher kein Erfordernis eine spezielle Abteilung bzw. Stelle einzurichten, die sich mit den Thema Gentrifizierung auseinandersetzt.