Gewalttaten gegen Wohnungslose in Düsseldorf

Ratsfraktion

Anfrage der Fraktion DIE LINKE.Düsseldorf zur Sitzung des Rates am 06. April 2017: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslose e.V. veröffentlichte im Januar 2017 eine Statistik über Gewalttaten gegen wohnungslose Menschen. Das Ergebnis ist erschreckend: Gewalt gegen wohnungslose Menschen ist ein alltägliches Problem – mindestens 17 Todesfälle gab es im vergangenen Jahr in Deutschland. Weiterhin sind mindestens 128 Fälle von Körperverletzung, Vergewaltigung, Raubüberfällen und bewaffneten Drohungen bekannt. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. 

In der Presse wurde in den vergangenen Monaten immer wieder darüber berichtet, wie Wohnungslose Opfer von Angriffen mit Messern und von Brandanschlägen geworden sind. Seit Jahren kommt es zu Gewalttaten gegen wohnungslose Menschen, seit 1989 gab es mindestens 502 Todesfälle in Deutschland. Nach Erkenntnissen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslose e.V. spielen bei den Taten häufig menschenverachtende und rechtsextreme Motive eine zentrale Rolle. 

DIE LINKE Ratsfraktion Düsseldorf fragt an:  

  1. Sind der Verwaltung Gewalttaten gegen wohnungslose Menschen in Düsseldorf in den vergangenen fünf Jahren bekannt?
  1. Welche Erkenntnisse hat die Verwaltung über Gewalttaten in städtischen Einrichtungen in den vergangenen fünf Jahren?
  1. Um welche Arten von Gewalttaten hat es sich gehandelt und wie viele der Taten wurden an Frauen ausgeübt, wie viele an Männern?

Mit freundlichen Grüßen 

Angelika Kraft-Dlangamandla                                        Lutz Pfundner     

 

Antwort der Verwaltung am 06.04.2017 (Stadtdirektor Hintzsche)

Vorbemerkung:
Die Anfrage nimmt Bezug auf eine jährliche Statistik der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslose e.V.
Die Zahlen basieren auf systematischen Presseauswertungen und geben daher nur Mindestwerte für das tatsächliche Ausmaß von Gewalt gegen und unter Wohnungslosen in Deutschland an.
Seit Umstellung der Erfassungsmethode im Jahr 2012 weist diese Statistik folgende Ergebnisse aus:

JahrTodesfälle
(Gewalt durch nicht wohnungslose Täter)
Todesfälle
(Gewalt durch wohnungslose Täter)
Körperverletzung
(durch nicht wohnungslose Täter)
Körperverletzung
(durch wohnungslose Täter)
2012               8             10               55              62
2013               8             21               56              60
2014             12             14               50              71
2015               8               8               54              70
2016               8               9               52              76

Das Niveau der erfassten Gewalttaten bewegt sich daher auf einem gleichbleibenden Niveau.

zu Frage 1: Der Polizeipräsident stellt hierzu die nachfolgend in der polizeilichen Kriminalstatistik aufgeführten Opfer von Gewalttaten mit der Spezifik „obdachlos“ für den Bereich der Stadt Düsseldorf zur Verfügung. Statistische Daten zur geschlechterspezifischen Unterteilung sind hierzu nicht vorhanden. 

Auswertung Opfer "obdachlos" PKS Tabelle 250 - PP Düsseldorf
Delikt
2012
2013
2014
2015
2016
Totschlag00001
Vergewaltigung und sexuelle Nötigung11001
Raub, räuberische Erpressung10654
Räuberischer Diebstahl00001
Gefährliche oder schwere Körperverletzung20755
(vorsätzlich leichte) einfache Körperverletzung101176
Bedrohung00210

Wegen der geringen Zahl der erfassten Delikte lässt sich hieraus ein Trend nicht ableiten.

zu Frage 2: Der Polizeipräsident teilt mit, dass statistische Daten zur Beantwortung der Frage 2 nicht vorliegen.
Die untersten örtlichen Auswerteebenen der Polizeilichen Kriminalstatistik sind die Zuständigkeitsgrenzen der Polizeiinspektionen. Eine Betrachtung darunterliegender Räume ist nicht möglich. Das Vorgangserfassungssystem IGVP, welches eine detailliertere, ortsbezogene Auswertung ermöglicht, enthält das Opferspezifikum „obdachlos“ nicht. Darüber hinaus werden Opferdaten aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen in diesem System nach einen Jahr vollständig gelöscht.
Die Ordensgemeinschaft der Armen Brüder als Träger der Notschlafstellen Harkortstraße und Kaiserswerther Straße sowie der Winternothilfe auf der Prinz-Georg-Straße teilt mit, dass sich dort in den letzten 5 Jahren eine schwere Gewalttat durch einen ebenfalls wohnungslosen Täter ereignet hat. Ansonsten kommt es in seltenen Fällen zu kleineren Tätlichkeiten, die Übernachter gegenseitig ausüben. Dem Sozialdienst gelingt es zumeist präventiv, bei sich entwickelnden Konflikten eine Deeskalation zu erreichen.
Die städtischen Gemeinschaftsunterkünfte für Obdachlose werden vom Amt für soziale Sicherung und Integration durch einen Verwalter vor Ort betrieben, der in der Regel während der normalen Dienstzeiten anwesend ist. Der städtische Sozialdienst für Obdachlose bietet Sprechzeiten in der Regel vor Ort an und greift gemeinsam mit dem Verwalter präventiv ein, soweit Konfliktsituationen bekannt werden. Gewalttätige Übergriffe unter den Bewohnerinnen und Bewohnern finden trotzdem auch in städtischen Gemeinschaftsunterkünften für Obdachlose statt, im Einzelfall sind davon auch städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. Aufgrund der begrenzten Präsenzzeiten der Verwaltung in der Unterkunft werden allerdings nicht alle Übergriffe bekannt. Statistische Daten liegen nicht vor.

zu Frage 3: Zur Differenzierung der statistischen Daten wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.
Die Ordensgemeinschaft der Armen Brüder als Koordinator der Streetwork der Wohnungslosenhilfe teilt hierzu ergänzend mit, dass nach den Beobachtungen der Streetwork die meisten Gewalttaten gegen wohnungslose Menschen, die in ihrer Schwere sehr unterschiedlich sind, von Menschen aus der Szene verübt werden. Hintergründe hierfür sind Schwierigkeiten der Betreffenden, mit Konfliktsituationen angemessen umzugehen, psychische Erkrankungen, unkontrollierter Sucht-mittelkonsum und Streitigkeiten im Kontext der Auseinandersetzung um existentielle Bedürfnisse.
Darüber hinaus werden wohnungslose Menschen zuweilen Opfer von alkoholisierten Tätern, die nach Feiern oder Partys – insbesondere in der Altstadt – ihnen gegenüber menschenverachtend und tätlich auftreten.
Des Weiteren geht die Ordensgemeinschaft davon aus, dass Gewalttaten gegen wohnungslose Menschen auch im Dunkeln bleiben, weil dieses Thema für die Betroffenen oftmals auch schambesetzt ist.