Keine Sanktionen gegen ALG II-Bezieherinnen und Bezieher

Rat

Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Sitzung des Rates am 06.05.2010:

Die Verwaltung wird beauftragt sich in der Trägerversammlung der ARGE Düsseldorf für eine Aussetzung von Sanktionen gegen ALG II-BezieherInnen einzusetzen, bis es zu einer Neuregelung des SGB II kommt. Die Landeshauptstadt Düsseldorf wird diese Forderung in der Trägerversammlung mit Nachdruck vertreten. Die Landeshauptstadt Düsseldorf schließt sich zudem der Forderung nach einem Sanktionsmoratorium an und unterzeichnet den entsprechenden Aufruf (http://www.sanktionsmoratorium.de/).

Bekanntlich hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 09.02.10 die jetzige Berechnung der Regelleistungen im SGB II für verfassungswidrig erklärt. Gleichzeitig hat es aber auch festgestellt, dass jedem Menschen ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zusteht. Dieses Recht aus dem „Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG […] erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern“ (Urteil des BVerfG vom 09.02.10 Rdnr.133). Gleichzeitig erklärt „Art. 1 Abs. 1 GG […] die Würde des Menschen für unantastbar und verpflichtet alle staatliche Gewalt, sie zu achten und zu schützen. Als Grundrecht ist die Norm nicht nur Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates. Der Staat muss die Menschenwürde auch positiv schützen“ (BVerfG a.a.O. Rdnr.134). Das Grundrecht sei „dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden“, so das BVerfG, Rdnr.133.

Auch betont das BVerfG, dass „der gesetzliche Leistungsanspruch … so ausgestaltet sein [muss], dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt“ (BVerfG a.a.O. Rdnr137). An anderer Stelle stellt das BVerfG fest, „Art. 1 Abs. 1 GG, der die Menschenwürde jedes einzelnen Individuums ohne Ausnahme schützt, [verlange], dass das Existenzminimum in jedem Einzelfall sichergestellt wird“ (BVerfG a.a.O. Rdnr.205).

Bis zu einer Neuberechnung des Existenzminimums, für die der Gesetzgeber bis Ende des Jahres Zeit hat, gelten weiterhin die jetzigen Regelleistungen in ihrer jeweiligen Höhe. Nach den Feststellungen des BVerfG ist aber davon auszugehen, dass eine Unterschreitung der jetzigen Regelleistungen verfassungswidrig ist, Sanktionen damit in grundrechtlich geschützte Positionen der Betroffenen eingreifen. Wenn weiter ausgeführt wird, das Existenzminimum sei stets sicher zu stellen, erscheinen Sanktionen, d.h. Kürzungen der Regelleistung bis hin zu Streichungen der Unterkunftskosten, egal in welcher Höhe und egal für welchen Zeitraum denknotwendig ausgeschlossen.

Die Unterzeichnung des Sanktionsmoratoriums würde die Position der Stadt stärken und betonen. Zu den Erstunterzeichnern des Moratoriums gehören zahlreiche Persönlichkeiten und Leistungsträger aus Politik, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Gesellschaft. In der Begründung für die Forderung eines Sanktionsmoratoriums heißt es:

„Um es klarzustellen: Es geht hier nicht um Leistungsmissbrauch, sondern um Menschen, die auf die niedrigen Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind und denen man irgendein Fehlverhalten vorwirft. In den wenigsten Fällen ist dies die Ablehnung einer als zumutbar geltenden Arbeit. Die meisten Sanktionen werden verhängt wegen Konflikten um Meldetermine, um die Anzahl von Bewerbungen, um Ein-Euro-‚Jobs’ und andere Maßnahmen wie z.B. Bewerbungstrainings und Praktika.“ Und: „Es fehlen Existenz sichernde Arbeitsplätze. Dieses Grundproblem, das durch die Wirtschaftskrise verschärft wird, kann mit Sanktionen nicht gelöst werden. Mit dem Sanktionsregime wird jedoch so getan, als hätten die Erwerbslosen ihre Lage verursacht und müssten zur Arbeit getrieben werden. Dabei zwingt das Sanktionsregime nicht nur Alg II-Beziehende, Arbeit um jeden Preis und zu jedem Preis anzunehmen, es wirkt auch als Drohkulisse für die Noch-Erwerbstätigen und ihre Interessenvertretungen.“

Die Begründung zum Aufruf und die Liste der Erstunterzeichner ist unter

www.sanktionsmoratorium.de/html/themen/themen_text_2.php zu finden.

Freundliche Grüße


Frank Laubenburg                    Angelika Kraft-Dlangamandla                Gilbert Yimbou