Lebensgefährliche CO-Pipeline verhindern

Rat

Anfrage der Ratsfraktion DIE LINKE. Düsseldorf zur Sitzung des Rates am 20.04.2023 (RAT/116/2023):

Am Mittwoch, dem 1. März berichtete der WDR über zwei Privatpersonen, die gegen die CO-Pipeline geklagt hatten. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat die seit nunmehr 16 Jahren laufenden Klagen abgewiesen.

Die 67 Kilometer lange CO-Pipeline der Bayer AG ist eine Pipeline zum Transport von Kohlenstoffmonoxid, das am Unternehmensstandort Dormagen als Nebenprodukt entsteht, zum Standort Krefeld-Uerdingen, wo es zur Herstellung von Kunststoffen und anderen chemischen Produkten benötigt wird. Heutzutage ist die Covestro Deutschland AG Bauherr bzw. Betreiberin der CO-Pipeline.

Seit 2009 ist die Pipeline fertiggestellt. Zum Teil befindet sich die Leitung für das giftige und geruchlose Gas in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten. Ein Abschnitt führt auch über Düsseldorfer Gebiet. Aufgrund von Baumängeln und nicht genehmigten Änderungen ist die Pipeline bis heute nicht in Betrieb.

Ermöglicht wurde der Bau durch ein Gesetz durch die damalige CDU/FDP Landesregierung. Im März 2006 wurde die so genannte "Lex Bayer" in den Landtag eingebracht. Dieses "Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen“ schaffte die rechtliche Grundlage für die benötigten Enteignungen entlang der Trasse. Denn für diese muss ein öffentliches Interesse an einem Grundstück höher wiegen als das private.

Die Gefährlichkeit für die Menschen hatte mehrfach auch die Stadtverwaltung bestätigt und in einer Einlassung an die Bezirksregierung weitergegeben. In der Antwort der Anfrage der LINKEN am 8.11.2012 antwortete die damalige Beigeordnete Stulgies u.a.:

„In der gesamtstädtischen Stellungnahme, die bis zum 14.11.2012 der Bezirksregierung Düsseldorf vorliegen muss, sollen u.a. die folgenden Einwendungen der Bezirksvertretung 7 und der Feuerwehr (Amt 37) und des Gartenamtes (Amt 68) zur Inbetriebnahme der CO-Pipeline erhoben werden.“...“Deshalb hält die Landeshauptstadt Düsseldorf die Inbetriebnahme der CO-Pipeline – insbesondere wegen der Nähe zu einigen Wohngebieten – für äußerst problematisch und lehnt diese in Ermangelung an wirksamen Gefahrenabwehrmöglichkeiten durch die Landeshauptstadt Düsseldorf ab.“

Schon in der Ratssitzung am 30. September 2010 räumte Umweltdezernentin Stulgies ein:

„Bezogen auf unterschiedliche Witterungen ergibt sich nach Auswertung der Ausbreitungsberechnungen des Betreibers bei einem Vollbruch eines solchen Segmentes ein Nahbereich mit höchster Gefährdung im Umkreis von 100 m –das gilt bei indifferenter Wetterlage mit einer Windgeschwindigkeit von 3 m/s –bis 300 m; das gilt bei stabiler Inversionswetterlage mit einer Windgeschwindigkeit von 1 m/s. Die in diesem Bereich vorhandenen CO-Gaskonzentrationen führen zu lebensbedrohlichen Schädigungen bis hin zum Tod, wenn nicht unverzüglich Atemschutz getragen und der Gefahrenbereich verlassen wird. Ein realer Rettungseinsatz ist deshalb nahezu unmöglich. ... Die Ungenauigkeiten dieser Leck-Detektionstechniken sowohl bezogen auf die Reaktionszeit des Systems als auch auf die Eingrenzung der Leckstelle führen zu einer verzögerten Schadenserkennung. Dieser Zeitverlust bis zur Alarmierung der erforderlichen Rettungskräfte und bis zum Heranführen der Kräfte mit entsprechenden Maßnahmen zum Eigenschutz kann im Nahbereich zu einem verzögerten Rettungseinsatz führen. Erhebliche Personenschäden sind dann nicht auszuschließen.“

Die Notwendigkeit der Pipeline wurde in den letzten Jahren immer wieder in Frage gestellt. Zusätzlich berichtet die Rheinische Post am 3. März 2023 über die finanzielle Schieflage von Covestro, wegen der auch Betriebsschließungen nicht auszuschließen sind.

Die beiden Klägerinnen können noch Berufung einlegen. Anfang Mai soll außerdem noch eine weitere Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) verhandelt werden. Im Juli folgen weitere Verfahren von den Kommunen Duisburg, Ratingen, Hilden, Langenfeld und Solingen.

Deshalb fragt DIE LINKE Ratsfraktion Düsseldorf an:

  1. Warum hat sich die Stadt Düsseldorf den anderen Kommunen in der Klage nicht angeschlossen?
     
  2. Wie bewerten die Stadtverwaltung und die Feuerwehr aktuell die Gefährlichkeit der CO-Pipeline?
     
  3. Welche Maßnahmen sind geplant, um die Gefährdung der CO-Pipeline und der Bevölkerung durch solche Unfälle definitiv auszuschließen?

Mit freundlichen Grüßen
Julia Marmulla                     Anja Vorspel
 


Antwort der Verwaltung durch den Beigeordneten Zaum:


Anfrage RAT/116/2023 der Ratsfraktion DIE LINKE

Antwort zu Frage 1:

Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat ebenfalls ein Klageverfahren gegen den Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline angestrengt, und zwar auf der Grundlage des Ratsbeschlusses vom 30.08.2007 gegen die vorzeitige Besitzeinweisung von der heutigen Covestro AG in sieben Grundstücke der Landeshauptstadt Düsseldorf durch die Bezirksregierung. Hintergrund der Klageerhebung war folgender:

Am 30.08.2007 beschloss der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf auf Antrag (Ratsvorlage: Drucksache 01/197/07) einstimmig, den Bau der vorgenannten Kohlenmonoxid-Pipeline zu stoppen, mit folgendem Wortlaut:

Beschluss:
Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf spricht sich dafür aus, den Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline von Dormagen nach Krefeld-Uerdingen zu stoppen.

Verschiedene Gutachten, die erst nach der Planfeststellung erstellt wurden, werfen erhebliche Sicherheitsfragen auf, die die Bürgerinnen und Bürger in Unruhe versetzen. Bei einem Bauvorhaben dieser Größenordnung mit einem hohen Gefährdungspotenzial muss die Sicherheit der Bevölkerung Vorrang haben.

Mit einer Risikostudie muss überprüft werden, ob durch die CO-Pipeline ein untragbares Sicherheitsrisiko entsteht. Dabei soll auch geprüft werden, ob das Risiko durch eine kürzere Trassenführung reduziert werden kann. Über den Weiterbau darf erst entschieden werden, wenn die Sicherheitsbedenken ausgeräumt werden können und der Schutz der Bevölkerung gewährleistet ist.

Der Rat beauftragt die Verwaltung, sich bei der Genehmigungsbehörde für einen Baustopp einzusetzen, bis die genannten Bedingungen erfüllt sind. Sofern städtische Grundstücke für die Pipeline in Anspruch genommen werden sollen, stellt die Stadt Düsseldorf diese bis zur Erfüllung der Bedingungen nicht zur Verfügung und erhebt bei Einleitung eines Enteignungsverfahrens Klage dagegen.

Ein Enteignungsverfahren für die benötigten städtischen Grundstücke wurde damals zunächst nicht angestrengt. Vielmehr wurde die Bayer MaterialScienceAG (heute Covestro AG), - nachdem eine einvernehmliche Lösung über einen Gestattungsvertrag aufgrund der Ablehnung der Stadt nicht zustande kam -, auf deren Antrag von der Bezirksregierung Düsseldorf mit Bescheid vom 13.11.2007 vorzeitig dauerhaft in den Besitz von sieben Grundstücken der Stadt (fünf in Hubbelrath, zwei in Wittlaer) mit der Berechtigung eingewiesen, die Rohrfernleitungsanlage zu errichten und zu betreiben. Dieses Verfahren ist hier dem Enteignungsverfahren vorgeschaltet worden.

Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat hiergegen 2007, aufgrund des vorgenannten Ratsbeschlusses, geklagt (VG Düsseldorf 3 K 5268/07). Die Anfechtung des Besitzeinweisungsbeschlusses wurde damals mit der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses im Hinblick auf Sicherheitsbedenken hinsichtlich des Betriebes der Leitung begründet, die auf den Besitzeinweisungsbeschluss durchschlagen.

Dieses Verfahren ist noch nicht beim Verwaltungsgericht (VG) verhandelt worden und wurde im Jahr 2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des damals beim Oberverwaltungsgericht (OVG) anhängigen Berufungsverfahrens 20 A 1923/11 (Dritter) gegen den Planfeststellungsbeschluss ausgesetzt.

Bezüglich des Planfeststellungsbeschlusses selbst bestand kein Klageauftrag. Im Ergebnis hätte eine solche Klage aber auch nichts geändert, da zwischenzeitlich zahlreiche Änderungs- und Ergänzungsbeschlüsse im Planfeststellungsverfahren ergangen sind, mit denen u.a. Betriebsdruck und Sicherheitsvorkehrungen angepasst wurden (zuletzt mit Änderungsbeschluss vom 10.08.2018). Dass diese ausreichend sind und der Planfeststellungsbeschluss in seiner letzten Fassung rechtmäßig ist, wurde mittlerweile in einem “Musterverfahren“ durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.12.2021 letztinstanzlich entschieden.

Es ist daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass auch alle anderen noch laufenden Verfahren, einschließlich des noch nicht entschiedenen Klageverfahrens der Landeshauptstadt Düsseldorf gegen die vorzeitige Besitzeinweisung der Covestro AG in städtische Grundstücke durch die Bezirksregierung, entsprechend dem letztinstanzlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entschieden werden.

Antwort zu Frage 2:
Die technische Sicherheit der Anlage wird nicht durch die Verwaltung sondern durch die zuständigen Aufsichtsbehörden beurteilt. Die Verwaltung kann daher keine Aussage treffen.

Für den Fall einer Leckage oder Havarie haben sich die Gefährdungsbeurteilungen für das Düsseldorfer Stadtgebiet durch die Feuerwehr aus den Jahren 2010 bzw. 2012 nicht verändert.

Seinerzeit wurden die Bewertungen wie folgt getroffen:

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass aufgrund der akuten und sofortigen Gefährdung von Menschen und Tieren im Nahbereich der Leitung bei einem Vollbruch; der Verzögerung der Schadenerkennung durch die Überwachungssysteme; der notwendigen Anfahrtszeiten alarmierter Einsatzkräfte an die Peripherie des Stadtgebietes und deren zeitaufwendigen, aber zwingend erforderlichen Selbstschutzmaßnahmen weit vor der eigentlichen Leckagestelle durch Atemschutz und CO-Messungen der Erfolg einer zeitnahen Fremdrettung von Personen im Nahbereich der Pipeline äußerst stark eingeschränkt ist.

Daher besteht für die Anwohner nur über eine frühzeitige Sirenenwarnung eine begrenzte Möglichkeit, selbst in Gebäuden temporäre Sicherheit zu erlangen, bis von außen Hilfe geleistet werden kann oder die Gaswolke sich aufgelöst hat.

Antwort zu Frage 3:
Präventive Maßnahmen zur Verhinderung eines Störfalls kann die Verwaltung nicht treffen. Diese werden durch die technischen Sicherheitseinrichtungen vor Ort gewährleistet und durch den Betreiber der CO-Pipeline verantwortet.

Operative Vorbereitungen seitens der Feuerwehr bestehen in Form von unterschiedlichen Warneinrichtungen und Warnmedien der Bevölkerung im Schadensgebiet, standardisierten Einsatzregeln zum Umgang mit Gefahrstoffen und Gefahrgütern sowie Einsatzvorplanungen zur medizinischer Versorgung einer größeren Anzahl von Patientinnen und Patienten sowie deren verletzungsadäquate Hospitalisierung.

Das Sirenennetz im Stadtgebiet wird kontinuierlich betriebsbereit gehalten und den sich verändernden Anforderungen entsprechend ausgebaut.