Medizinische Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung

Ausschuss für Gesundheit und Soziales

Anfrage der Fraktion DIE LINKE.Düsseldorf zur Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales am 17. Mai 2017: Seit dem Jahr 2007 besteht in Deutschland eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht, im Jahr 2009 wurde die Versicherungspflicht auf die private Krankenversicherung erweitert. Dennoch waren laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2015 rund 80.000 Menschen in Deutschland ohne Krankenversicherungsschutz. Personen, die obdachlos sind oder keinen legalen Aufenthaltsstatus haben, werden von dieser Statistik nicht erfasst. 

Bereits im Jahr 2013 wurde in der Westdeutschen Zeitung vom 18.06. berichtet, dass Schätzungen zufolge mehrere Tausend Menschen in Düsseldorf ohne Krankenversicherung leben. Weiterhin heißt es in dem Artikel: „Die Gruppe der Betroffenen ist nicht homogen. Einige sind wohnungslos, andere EU-Armutsmigranten, die hier nicht arbeiten dürfen und keine Sozialleistungen erhalten. So zahlt niemand den Arbeitgeberanteil, die Menschen sind nicht versichert.“ 

Ein fehlender Krankenversicherungsschutz hat zur Folge, dass die Betroffenen bei Gesundheitsproblemen auf Arztbesuche verzichten und es infolge dessen häufig zu akuten Gesundheitsgefährdungen kommt. Nichtversicherte fallen dadurch oftmals komplett durch das Raster des Gesundheitssystems. 

DIE LINKE Ratsfraktion Düsseldorf fragt an: 

  1. Wie viele Menschen ohne Krankenversicherung leben in Düsseldorf und welche Gründe liegen hierfür vor (aufgeschlüsselt nach EU-Bürgerinnen und -Bürgern, Drittstaatsangehörige, Obdachlose, ehemalige Selbstständige etc.)? 

  2. Wie ist die Situation der in Düsseldorf lebenden Menschen ohne Krankenversicherung, welche medizinischen Leistungen können sie bei akuten Gesundheitsproblemen in Anspruch nehmen und von welchen werden sie ausgeschlossen? 

  3. Welche Hilfsangebote werden von der Stadt Düsseldorf für Menschen ohne Krankenversicherung angeboten? 

Mit freundlichen Grüßen  

Angelika Kraft-Dlangamandla             Cornelia Schlemper              Adrian Müller-Gehl

 

Antwort der Verwaltung am 17.05.2017 (Vorsitzender Olaf Lehne)

zu Frage 1: Laut Mitteilung des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2015 in Deutschland rund 0,1 Prozent der Bevölkerung ohne Krankenversicherungsschutz. Auf die Landeshauptstadt Düsseldorf mit einer Bevölkerungszahl von 635.704 Personen - Stand 31. Dezember 2016 - übertragen, entspräche dies einer Zahl von 635 Personen. Über die tatsächliche Anzahl der in Düsseldorf lebenden Menschen ohne Krankenversicherung liegen der Verwaltung keine statistisch auswertbaren Zahlen vor.
Aus den Erfahrungen der Beratungspraxis kristallisiert sich heraus, dass sich die Gruppe der Nichtversicherten im Wesentlichen aus folgenden Untergruppen zusammensetzt:
- Obdachlose Menschen, die entweder in der Vergangenheit privat oder gesetzlich versichert oder bisher noch nie krankenversichert waren
- Menschen ohne legalen oder geregelten Aufenthaltsstatus, die in der Regel bisher in Deutschland noch nicht krankenversichert waren
- Selbständige, die entweder in der Vergangenheit privat oder gesetzlich versichert waren oder bisher noch nie krankenversichert waren
- EU-Bürgerinnen und -Bürger die entweder in der Vergangenheit privat oder gesetzlich versichert waren
- Langzeitstudierende oder Geschiedene nach Ablauf einer Familienversicherung
Die Gründe für fehlenden Krankenversicherungsschutz sind individuell und können folglich sehr unterschiedliche Personengruppen betreffen.

zu Frage 2 und Frage 3: Grundsätzlich besteht seit dem 1. April 2007 beziehungsweise dem 1. Januar 2009 in Deutschland für alle Personen Krankenversicherungspflicht. Das Zustandekommen der Versicherungspflicht ist aber abhängig von der Anzeige bei der betreffenden Krankenkasse bzw. vom Abschluss eines Versicherungsvertrages bei einer privaten Krankenversicherung. Grundlage für die Zuordnung zum gesetzlichen oder privaten Versicherungssystem bildet die letzte Zugehörigkeit der Betroffenen zum jeweiligen Versicherungszweig. Nichtversicherte, die bisher noch nie krankenversichert waren, werden dem Versicherungssystem zugeordnet, welchem sie aufgrund ihres ausgeübten Berufes zuzuordnen wären.
Auch bei ruhenden Mitgliedschaften - in der Regel durch Beitrags- oder Prämienrückstände - sind die Versicherungen verpflichtet, Grundleistungen sicherzustellen, beispielsweise Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten sowie Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind.
Die Situation einer nichtversicherten Person stellt sich generell so dar, dass die Versorgung in medizinischen Notfällen durch die Krankenhäuser sichergestellt ist. Die Frage der Kostenübernahme wird in diesen Fällen nachträglich mit den Patientinnen und Patienten selbst, den Krankenhäusern bzw. mit möglichen anderen Leistungsträgern, unter anderem auch den örtlich zuständigen Sozialleistungsträgern, geklärt.
Sofern nichtversicherte Personen Leistungsanträge stellen, unterstützt das Amt für soziale Sicherung und Integration bei der Herstellung eines Krankenversicherungsschutzes. Sind die Voraussetzungen für eine gesetzliche Versicherungspflicht nicht erfüllt, liegt aber eine sozialhilferechtliche Bedürftigkeit vor, erfolgt die Sicherstellung des Gesundheitsschutzes im Rahmen eines Betreuungsverhältnisses durch eine Krankenkasse im Rahmen des § 264 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - SGB V. Hinsichtlich des Versorgungsumfangs sind diese Betreuten den gesetzlich Krankenversicherten weitestgehend gleichgestellt.
Darüber hinaus werden in Düsseldorf für den Personenkreis der Menschen ohne Krankenversicherung weitere Angebote zur medizinischen Versorgung vorgehalten. Diese sind in der Regel zielgruppenspezifisch ausgerichtet.
Bereits seit Mitte der 90er Jahre wird vorrangig für den Personenkreis der wohnungslosen Menschen ein aufsuchendes Angebot zur medizinischen Versorgung in Form eines Gesundheitsbusses vorgehalten. Träger dieses Angebotes ist der „Medizinische Hilfe
für Wohnungslose e.V.“. Das Angebot wird aus städtischen Haushaltsmitteln mit einem Personal- und Betriebskostenzuschuss in Höhe von aktuell rund 77.000,00 Euro gefördert.

Für den Personenkreis der Drogen konsumierenden Personen sind unabhängig von einem bestehenden Krankenversicherungsschutz alle bestehenden Angebote des „Düsseldorfer Drogenhilfe e.V.“ nutzbar.
Die im Gesundheitsamt vorgehaltenen Beratungs- und Versorgungsangebote im Rahmen der Gesundheitshilfe sind in der Regel kostenfrei und somit für alle Personen - unabhängig von einem bestehenden Krankenversicherungsschutz - nutzbar.
Überdies hat der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf 2015 beschlossen, sich mit einem Angebot an papierlose Menschen in akuten medizinischen Notlagen zu richten und damit gleichzeitig das vorrangige Ziel, Möglichkeiten einer Legalisierung des Aufenthaltes im Einzelfall zu identifizieren und die Überführung in das Regelsystem zu erreichen. Sofern eine Integration der Hilfesuchenden in das Regelsystem nicht möglich sein sollte, können Behandlungskosten für eine Akutversorgung analog §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) aus einem Notfallfonds übernommen werden.
Die vor diesem Hintergrund eingerichtete Clearingstelle bei STAY!Medinetz entscheidet eigenverantwortlich über den Einsatz der Mittel unter Beachtung der mit der Verwaltung vereinbarten Rahmenbedingungen. Das unbürokratische Verfahren wird in einer dreijährigen Modellphase erprobt.