Rechtsextreme und rassistische Vorfälle an städtischen Schulen und Bildungseinrichtungen
Anfrage des Ratsmitglieds Sigrid Lehmann zur Sitzung des Rates am 09.10.2025 (RAT/312/2025):
Die Schule und andere Bildungseinrichtungen dienen nicht allein der Wissensvermittlung. Sie sollen Orte der Aufklärung und Prävention sein, an denen unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen und das Miteinander und den Umgang mit Konflikten lernen. Bedauerlicherweise machen physische und auch psychische Gewalt als gesamtgesellschaftliche Phänomene nicht vor den Toren der Schulen und Bildungseinrichtungen Halt. Ein wachsendes Problem stellen in diesem Zusammenhang laut Polizeilicher Kriminalstatistik der Rechtsextremismus und damit in Verbindung stehende Vorfälle dar.
Nach der Statistik gab es in NRW im vergangenen Jahr 452 Vorfälle, im Jahr 2023 waren es 277 an Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten. Aus den vergangenen Kriminalstatistiken geht hervor, dass seit mehreren Jahren die Anzahl der registrierten rechtsextremen Vorfälle an Bildungseinrichtungen zunimmt. Diese Entwicklung ist bedauerlicherweise bundesweit zu erkennen.
Nicht alle Betroffenen melden solche Vorfälle, so dass von einer höheren Dunkelziffer auszugehen ist. Die Folgen sind oftmals Angst, Hilflosigkeit und Verunsicherung bei betroffenen Schüler:innen, Lehrenden und Eltern.
Die Ursachen von rechter Gewalt zu bekämpfen, bedeutet auch, das Eindringen von rechtem Gedankengut in Lebensräume von Kindern und Jugendlichen anzugehen. Dies kann nach Ansicht der Linken nur erreicht werden, wenn Lehrende beispielsweise durch entsprechende Handlungskonzepte gut vorbereitet und wenn Eltern einbezogen werden. Unterstützung durch die Schulen ist wichtig, wenn Betroffenen sollten diese Fälle von Rechtsextremismus oder menschenverachtendem Verhalten öffentlich machen.
Rebecca Siersch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bochum sagte in einem Interview vom 17.09.2025 mit dem WDR: „Was mich besonders beschäftigt sind nicht diese ganz krassen Fälle, sondern die Alltäglichkeit. Viele Schüler:innen berichten fast alltäglich von rassistischen Vorfällen und Beleidigungen, die ihnen passiert sind. An uns werden vermehrt Fälle herangetragen.“
Maßnahmen gegen rechte Gewalt setzen voraus, dass wir die Situation an städtischen Bildungseinrichtungen und Schulen in Düsseldorf besser einschätzen können. Deshalb bitten wir um eine genaue Auflistung der Vorkommnisse in Düsseldorf.
Ich frage an:
1. Wie viele rechtsextreme/rassistische Vorfälle gab es an städtischen Schulen und in städtischen Bildungseinrichtungen in den vergangenen fünf Jahren? (Bitte auflisten nach Stadtteilen, Schulformen und Art der Vorfälle.)
2. Wie arbeiten Schulen und andere Bildungseinrichtungen in städtischer Trägerschaft rechtsextreme/rassistische Vorfälle pädagogisch auf? (Hier sind städtische Unterstützungsmaßnahmen von besonderem Interesse.)
3. Welche Präventionsmaßnahmen wurden nach Kenntnis der Stadtverwaltung bisher ergriffen? (Bitte einzeln auflisten nach Schule und Maßnahme.)
Mit freundlichen Grüßen
Sigrid Lehmann
Antwort der Verwaltung durch Stadtdirektor Hintzsche:
Antwort zu Frage 1:
Eine Gesamteinschätzung zur Anzahl der rechtsextremen oder rassistischen Vorfälle an städtischen Schulen und Bildungseinrichtungen ist der Verwaltung nicht möglich. Es gibt keine generelle Meldepflicht von Gewaltvorfällen bzw. Vorfällen mit Bezug zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit an Schulen in NRW. Gemäß Runderlass „Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ vom 19. November 2019 liegt die Entscheidung zum Einbezug der Strafverfolgungsbehörden bei der jeweiligen Schulleitung: „Für den Fall des Verdachts eines Vergehens prüft die Schulleitung, ob pädagogische/schulpsychologische Unterstützung, erzieherische Einwirkungen beziehungsweise Ordnungsmaßnahmen ausreichen oder ob wegen der Schwere der Tat oder anderer gewichtiger Umstände […] eine Benachrichtigung der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erforderlich ist.“
Nur im Falle der Benachrichtigung der Strafverfolgungsbehörden fließt ein Gewaltvorfall an einer Schule in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ein. Es erfolgt hier keine gesonderte Ausweisung im Kontext Schule.
Antwort zu Frage 2:
In 2022 wurde durch das 16. Schulrechtsänderungsgesetz verfügt, dass jede Schule ein „Schutzkonzept gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch“ erstellt.
Die im Schutzkonzept festgelegten Maßnahmen zur Prävention und Intervention sollten auch den Phänomenbereich rechtsextremer sowie rassistischer Gewalt umfassen und das Konzept der Intersektionalität beachten.
Die konkrete Planung, Ausgestaltung und Umsetzung des Schutzkonzepts liegt in der Verantwortung der einzelnen Schule. Unterstützung erhalten Schulen bei Bedarf durch das Zentrum für Schulpsychologie, den erzieherischen Kinder- und Jugendschutz sowie weitere Akteure der Präventionsarbeit in Düsseldorf.
Konkrete Handlungsempfehlungen zum Umgang mit schulischen Krisen –u.a. auch zur Intervention bei und zur Aufarbeitung von Vorfällen im Bereich Extremismus und verfassungsfeindliche Äußerungen– erhalten Schulen durch den Notfallordner „Hinsehen und Handeln“ des Ministeriums für Schule und Bildung sowie der Unfallkasse NRW. Die Schulen im Land NRW können außerdem auf eine Vielzahl an Materialien zum Themenbereich (Rechts-) Extremismus und Radikalisierung zurückgreifen, so etwa auf dem Portal von NinaNRW, bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und Rassismus oder dem Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit.
Als zentrale Ansprechpartnerin bei allen Fragen der Gewalt- und Extremismusprävention innerhalb der Schulen steht die Schulsozialarbeit zur Verfügung, die mittlerweile an allen Düsseldorfer Schulen mit mindestens einer vollen Stelle vertreten ist. Als außerschulischer Ansprechpartner unterstützt das Zentrum für Schulpsychologie. Das Angebot umfasst die Beratung von Lehr- und Fachkräften im Einzelfall, die Fortbildung und Professionalisierung von schulischen Beschäftigten sowie die Vermittlung von präventiven Maßnahmen und Programmen. Das Zentrum für Schulpsychologie bietet gemeinsam mit Kooperationspartnern regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen für Lehr- und pädagogische Fachkräfte zum Themenfeld an. Koordiniert vom Erzieherischen Kinder- und Jugendschutz finden jährlich außerdem etwa 25 Workshops zum Umgang mit Falschnachrichten, Deepfakes, Hassrede, Verschwörungserzählungen, digitaler Sicherheit und Gesundheit im Internet statt. Diese werden in Schulen sowie Jugendfreizeiteinrichtungen für Jugendliche im Alter von 13 bis 21 Jahren durchgeführt.
Unter Federführung des Kommunalen Integrationszentrums wurde in 2021 gemeinsam mit einer Vielzahl an Kooperationspartnern der Arbeitskreis Rassismuskritische Schulen ins Leben gerufen. Der Arbeitskreis stellt den Schulen Informationen zur Verfügung, entwickelt Qualifizierungs-, Vernetzungs- und Austauschangebote. Zentrales Produkt dieser Zusammenarbeit ist die Handreichung „Wie Rassismus an Schule begegnen?“, die mittlerweile in zweiter Version vorliegt und allen Düsseldorfer Schulen zur Verfügung gestellt wurde. Sie dient als konkreter Handlungsleitfaden bei der Prävention und Intervention von Rassismus. Ferner betreut das Kommunale Integrationszentrum als Regionalkoordination seit 2018 die Düsseldorfer Schulen im Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Die Schulen können sich mit Anfragen bezüglich konkreter Diskriminierungsvorfälle oder Bedarfen zur Durchführung von präventiven Workshops, Projekten und Fortbildungen an die Regionalkoordination wenden. Das Kommunale Integrationszentrum bietet mehrmals im Jahr Seminare und Workshops, u a. zum Umgang mit Rechtsextremismus und Rassismus, für Lehr- und Fachkräfte an den Courage-Schulen und weiteren interessierten Schulen an.
Als weitere städtische Akteurin bietet die Mahn- und Gedenkstätte historische Bildungsangebote für Schulen ab der 4. Klasse zur Dauerausstellung „Düsseldorfer Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus“ an. Im Fokus steht die Arbeit mit persönlichen Quellen, die biografisches Lernen ermöglichen und einen umfassenden Blick auf alle Verfolgtengruppen bieten, u.a. Verfolgte aufgrund rassistischer oder antisemitischer Motive. Die Bildungsangebote knüpfen an das Alter, die Erfahrungswelt und die Entwicklungsprozesse heutiger Kinder und Jugendlicher an.
Antwort zu Frage 3:
Die Schulen nehmen die Präventionsarbeit gegen (rechtsextreme/rassistische) Gewalt in Eigenverantwortung wahr. Eine zentrale Erfassung durch die Stadtverwaltung ist daher nicht erforderlich und vorgesehen.
Das Zentrum für Schulpsychologie sowie weitere städtische und außerstädtische Akteure der Präventionsarbeit bieten allen Düsseldorfer Schulen bei Bedarf Unterstützung bei der Auswahl geeigneter präventiver Programme und Maßnahmen unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen der jeweiligen Schule an. Im Rahmen des gewaltpräventiven Budgets des Zentrums für Schulpsychologie ist eine finanzielle Förderung ausgewählter Projekte und Angebote an Schulen möglich. Aus dem Erzieherischen Kinder- und Jugendschutz heraus wird der Fonds zur Umsetzung von gewaltpräventiven Maßnahmen in der Jugendhilfe gesteuert. In diesem Rahmen werden unterschiedliche Projekte in Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, Kita sowie durch Schulsozialarbeit auch an Schule finanziell gefördert.
Diese Projekte sollen dazu beitragen, Schutzfaktoren für eine ganzheitlich gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu stärken und Risikofaktoren zu minimieren. Über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ werden darüber hinaus über den Aktions- und Initiativfonds zahlreiche Projekte und konkrete Einzelmaßnahmen gefördert, die eines der drei Kernziele des Bundesprogramms unterstützen (1. Demokratie fördern, 2. Vielfalt gestalten, 3. Extremismus vorbeugen).
