Rehabilitation der Opfer des kalten Krieges – für eine Wiedergutmachung gegenüber den Düsseldorfer Beigeordneten Hanns Kralik und Klaus Maase

Rat

Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Sitzung des Rates am 30. September 2010:

Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf fordert den Deutschen Bundestag auf,

  • unverzüglich in einer geeigneten Form zu einer Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges in Deutschland beizutragen;
  • unverzüglich Regelungen vorzulegen, die den betroffenen Menschen eine materielle Wiedergutmachung für das erlittene Unrecht gewährt;
  • unverzüglich Regelungen vorzulegen, die die betroffenen Menschen politisch rehabilitiert. 

Begründung:

Am 19. September 1950 wurde von der CDU-Regierung unter Konrad Adenauer ein Beschluss zur sogenannten „Verfassungstreue“ der öffentlich Bediensteten in der Bundesrepublik Deutschland gefasst. Die Mitgliedschaft in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), im Deutschen Kulturbund, in der Freien deutschen Jugend (FdJ) oder in der KPD reichte damit aus, um zwangsläufig aus dem öffentlichen Dienst entlassen zu werden.

Prominenteste Düsseldorfer Opfer des Adenauer-Erlasses waren zwei Beigeordnete der Landeshauptstadt. Am 25.09.1950 wurden der Kulturdezernent (und zeitweise Sportdezernent) Hanns Kralik und der Baudezernent Klaus Maase aus ihren Ämtern entlassen.

Klaus Maase, geboren 1904, stammte aus einer angesehenen Düsseldorfer Familie. Sein Vater war der pazifistische Notar Friedrich Maase, der von den Nazis 1933 aus der Anwaltskammer ausgeschlossen worden war und später im Konzentrationslager Sachsenhausen einsaß. Seine Tante Hedda Eulenberg war eine bekannte Düsseldorfer Schriftstellerin und Übersetzerin, die ebenso wie ihr Mann Herbert Eulenberg, der 1946 Ehrenbürger der Landeshauptstadt Düsseldorf wurde, von den Faschisten verfolgt wurde. Der Ingenieur Klaus Maase saß während des Faschismus im Konzentrationslager Buchenwald ein und wurde nach der Befreiung vom Faschismus Beigeordneter der Landeshauptstadt Düsseldorf.

Hanns Kralik wurde 1900 geboren. Er bildete sich zunächst autodidaktisch im Zeichnen aus und absolvierte später, parallel zur Schichtarbeit im Bergbau, ein Studium an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf. Schon früh hatte er sich in politischen Künstlergruppen organisiert, so im "Jungen Rheinland", in der Association Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands. Schließlich war er als Agitprop-Sekretär der KPD aktiv. 1933 wurde  Kralik verhaftet und in das KZ Börgermoor verschleppt. Für den Roman "Die Moorsoldaten" von Wolfgang Langhoff schuf er Illustrationen aus dieser Zeit. Aus der KZ-Haft entflohen emigrierte er über Holland nach Frankreich, wo er sich mit seiner Frau Lya der Resistance anschloss. Unter dem Pseudonym Jean arbeitete er künstlerisch für illegale Widerstandszeitungen und produzierte antifaschistische Propagandamaterialien mit Druckgraphiken und Losungen, wie "Hitler ist der Krieg - Nur Hitlers Sturz bringt uns den Frieden". Nach seiner Rückkehr 1945 musste Kralik künstlerisch von vorne beginnen - fast sein gesamtes Werk wurde von den Nazis vernichtet. Bis er durch die Kommunistenhatz der Adenauer-Regierung entlassen wurde, war er als Beigeordneter der KPD und Kulturdezernent in Düsseldorf tätig.

Hanns Kralik und Klaus Maase waren während des Faschismus und in der Bundesrepublik Deutschland politischer Verfolgung ausgesetzt. Beide sind mittlerweile verstorben. Andere Opfer der politischen Verfolgung in der Adenauer-Ära leben heute noch. Nicht wenigen wurden Opferrenten als NS-Verfolgte gestrichen, viele verloren durch Ermittlungs- und Strafverfahren sowie Untersuchungshaft ihre materielle Existenz und wurden in die Armut getrieben.

In der Zeit von 1951 bis 1968 gab es staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen etwa 200.000 Personen mit über 10.000 Verurteilungen, teils zu mehrmonatigen oder mehrjährigen Haftstrafen. Allein nach dem Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) 1956 sind jährlich bis zu 14.000 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren anhängig gewesen, in denen bis zu 500 Kommunisten und Sympathisanten verurteilt wurden. Nach Haftverbüßung folgten regelmäßig Einschränkungen der staatsbürgerlichen Rechte, entwürdigende Polizeiaufsicht, Pass- und Führerscheinentzug, Berufsverbote, Verlust des Arbeitsplatzes und Renteneinbußen. Vielen Menschen in der alten Bundesrepublik ist Unrecht geschehen, sie wurden zu Opfern des Kalten Krieges. Erst ab 1964 nahm die Verfolgungsintensität allmählich ab. Die 17-jährige Ära dieser exzessiven Kommunistenverfolgung fand erst unter der Großen Koalition 1968 mit der Liberalisierung des politischen Strafrechts ein Ende.

Kriminalisiert wurde zwischen 1951 und 1968 die politische Betätigung von Menschen, die zu meist maßgeblich am Widerstand gegen den Faschismus beteiligt und mit äußerster Härte verfolgt worden waren und unmittelbar nach 1945 bis Anfang der 50er Jahre einen starken antifaschistischen Einfluss in den Parlamenten und Landesregierungen sowie in den Gewerkschaften ausgeübt hatten. Kriminalisiert wurden damit Menschen, die in der Bundesrepublik „keine politischen Morde, keine Aufstandsversuche, keinerlei Gewalttaten“ begingen – wie der in Kommunistenprozessen verteidigende Anwalt und spätere Justizminister von Nordrhein-Westfalen, Diether Posser (SPD), in seinem Buch „Anwalt im Kalten Krieg“ (München 1991) zu Recht festgestellt hat. Besonders bedrückend war es für die Betroffenen, dass viele Ermittlungs- und Strafverfahren von Staatsanwälten und Richtern geführt wurden, die als Täter bereits unter dem Naziregime politische Prozesse geführt hatten. So musste der Eindruck entstehen, dass Belastete der Nazizeit erneut über Opfer des Naziregimes zu Gericht saßen.

Freundliche Grüße

 

Gilbert Yimbou                         Frank Laubenburg