Sonderbedarfsleistungen für Hartz-IV-BezieherInnen

Ausschuss für Gesundheit und Soziales

Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales am 29.09.2010:

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1, 3 und 4/09) zu Hartz-IV den Hilfebedürftigen nach dem SGB II einen unmittelbar auf das Grundgesetz gestützten Anspruch auf Sonderbedarfsleistungen zugesprochen. Dieser Anspruch dient dazu, unumgänglich notwendige Ausgaben die vom durchschnittlichen Bedarf abweichen, zu decken. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber dazu aufgegeben, bis zum 31.12.2010 eine gesetzliche Regelung im SGB II zu schaffen. Bis dahin kann der Anspruch auf Sonderbedarfe direkt auf das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes gestützt werden.

Die Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit vom 17.02.2010 (Geschäftszeichen: SPII-II-1303/7000/5215) nennt dazu in einer nicht abschließenden Aufzählung insbesondere folgende Anwendungsfälle: nicht-verschreibungspflichtige Arznei- und Heilmittel, Putz-/Haushaltshilfe für Rollstuhlfahrer, Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts und Nachhilfeunterricht.

Nach § 13 des SGB I sind die Leistungsträger dazu verpflichtet, die Hilfebedürftigen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären.

Die Fraktion DIE LINKE fragt an:

  1. Wie wurden die Hartz-IV-BezieherInnen über ihren möglichen Anspruch auf Sonderbedarfsleistungen informiert?
  1. Wie viele Personen haben seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Anträge auf Sonderbedarfsleistungen gestellt?
  1. Wie vielen Anträgen auf Sonderbedarfsleistungen wurde in Düsseldorf stattgegeben?

Freundliche  Grüße

 

Angelika Kraft-Dlangamandla                Cornelia Schlemper                  Silvia Schaak


Antwort der Verwaltung:

Frage 1:
Wie wurden die Hartz-IV-BezieherInnen über ihren möglichen Anspruch auf Sonderbedarfsleistungen
informiert?

Antwort:
Nach Bekanntwerden des Urteils des BVerfG haben sowohl der Gesetzgeber als auch die
Bundesagentur für Arbeit über die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Sonderbedarfen umfassend
in einer breiten Öffentlichkeit informiert. Hierzu wurden sowohl Positiv- als auch Negativlisten
veröffentlicht. Die entsprechende Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit ist
seit dem 17.02.2010 im Internet abrufbar.
Nachdem die vom BVerfG aufgegebene gesetzliche Regelung durch die Einführung des §21
Absatz 6 SGB II im Bundesgesetzblatt vom 02.06.2010 veröffentlicht wurde, ist auch die Geschäftsanweisung
der Bundesagentur für Arbeit am 11.06.2010 aktualisiert worden. Diese Geschäftsanweisung
sowie die Positiv-/Negativliste sind der als Tischvorlage ausgelegten schriftlichen
Antwort als Anlage beigefügt.
Die ARGE Düsseldorf informiert ihre Kunden bei der Beantragung von Sonderbedarfen im
Rahmen ihrer Beratungspflicht.


Frage 2:
Wie viele Personen haben seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Anträge auf
Sonderbedarfsleistungen gestellt?

Antwort:
Statistische Auswertungen hierzu liegen nicht vor. Aufgrund qualifizierter Schätzungen kann
davon ausgegangen werden, dass monatlich rd. 20 Anträge auf Sonderbedarf gestellt werden.


Frage 3:
Wie vielen Anträgen auf Sonderbedarfsleistungen wurde in Düsseldorf stattgegeben?

Antwort:
Auch hier liegen statistische Auswertungen nicht vor. Aufgrund qualifizierter Schätzungen gehen
wir davon aus, dass rd. 90% der bisher entschiedenen Anträge abgelehnt werden mussten,
weil sie sich trotz Beratung auf einmalige Bedarfe bezogen, die durch die gesetzliche Regelung
ausgeschlossen sind oder Leistungen beantragt wurden, die in der Negativliste aufgeführt
sind. In der Regel waren die Anträge deshalb abzulehnen, weil die Bedarfe über den Regelsatz
zu decken sind.



Anlage zur Antwort:

Gesetzliche Grundlage

§21 SGB II Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt
eingefügt durch Artikel 3a im „Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze“ vom 27.05.2010
Absatz 6
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Fachliche Hinweise zu §21 Absatz 6 SGB II
gem. Geschäftsanweisung 22/2010 vom 11.06.2010
Eine Liste der fachlichen Hinweise ist im Internet unter www.arbeitsagentur.de einsehbar

6. Unabweisbare, laufende besondere Bedarfe in Härtefällen (§ 21 Abs. 6 SGB II)
6.1 Allgemeines
(1) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1, 3, 4/09) u. a. entschieden, dass im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II neben den durchschnittlichen Bedarfen, die mit der Regelleistung abgedeckt sind, auch unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige besondere Bedarfe, die in atypischen Lebenslagen anfallen, zu decken sind. Für die Zeit ab dem Tag seiner Entscheidung am 09.02.2010 bis zur Schaffung einer eigenen Rechtsgrundlage im SGB II hat das BVerfG angeordnet, dass sich der Anspruch direkt aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ergibt. Für die Zeit davor fehlt es nach Auffassung des BVerfG an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage für die Gewährung von zusätzlichen Leistungen (Nichtannahmebeschluss vom 24.03.2010 – 1 BvR 395/09).
(2) Der zusätzliche Anspruch ist unter den Aspekten des nicht er-fassten atypischen Bedarfs sowie eines ausnahmsweise höheren, überdurchschnittlichen Bedarfs angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsmerkmale auf wenige Fälle begrenzt.
(3) Ein Verweis auf Leistungen nach § 73 SGB XII ist seit dem 09.02.2010 nicht mehr zulässig. Hinweise Seite 8 § 21

6.2 Anspruchsvoraussetzungen
(1) Ein besonderer Bedarf (Härtefall) liegt vor, wenn er neben den durchschnittlichen Bedarfen, die mit der Regelleistung abgedeckt sind, in einer atypischen Lebenslage besteht (atypischer Bedarf). Der Bedarf ist unabweisbar, wenn er entweder in einer Sondersituation auftritt und seiner Art nach nicht von der Regelleistung erfasst ist bzw. einen atypischen Ursprung hat (qualitativer Mehrbedarf) oder zwar grundsätzlich in der Regelleistung enthalten ist, aber im konkreten Einzelfall erheblich überdurchschnittlich ist (quantitativer Mehrbedarf).

(2) Der atypische und überdurchschnittliche Mehrbedarf ist von den Hilfebedürftigen vorrangig durch alle ihnen verfügbaren Mittel zu decken. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere gewährte Leistungen anderer Leistungsträger als der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (z. B. Unterhaltsvorschuss, Leistungen der Kranken- und Pflegekassen), Zuwendungen Dritter (z. B. von Familienangehörigen) und Einsparmöglichkeiten der erwerbsfähigen Hilfe-bedürftigen. Zuwendungen Dritter können in Form von Sach-, Geld- oder Dienstleistungen gewährt werden. Auf die rechtliche Einordnung als Einnahme kommt es insoweit nicht an.

(3) Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Regelleistung als pauschaler Gesamtbetrag gewährt wird, ist es einem Hilfebedürftigen vorrangig zumutbar, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen Lebensbereich auszugleichen. Dies kann bei besonderen Bedarfen, die in der Summe 10 % der nach § 20 Abs. 2 Satz 1 maßgebenden Regelleistung nicht übersteigen, jedenfalls erwartet werden. Im Übrigen ist eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich.

(4) Ein Hilfebedürftiger hat alle Möglichkeiten zur Reduzierung seiner Aufwendungen für besondere Bedarfe zu nutzen; so ist z. B. bei den Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts auf günstige Verkehrsmittel und Inanspruchnahme von Fahrpreisermäßigungen zu verweisen.

(5) Wird Erwerbseinkommen erzielt, so bleibt dieses auch bei der Berechnung von Leistungen für besondere laufende Bedarfe in Höhe des Erwerbstätigenfreibetrags nach § 30 außer Betracht. Der Freibetrag bei Erwerbstätigkeit ist weiterhin von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen.

(6) Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 2 bis 5 können nicht im Rahmen der Härtefallregelung aufgestockt werden.
Beispiel:
Liegen die Voraussetzungen zur Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes nicht vor, weil lediglich eine Vollkost empfohlen wird, so ist auch kein Sonderbedarf gegeben, weil die Ernährung aus der Regelleistung bestritten werden kann.

(7) Sind zweckbestimmte Einnahmen (§ 11 Abs. 3 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Alg II-V) vorhanden, die zur Deckung eines dauerhaft erhöhten Bedarfs nach anderen Gesetzen gewährt werden, gilt der erhöhte Bedarf insoweit als gedeckt (z. B. Landesblindengeld).

(8) Bei einem besonderen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 handelt es sich nicht um einmalige oder kurzfristige Bedarfsspitzen (z. B. Waschmaschine, Wintermantel), die durch ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 ausgeglichen werden können (vgl. Kap. 1 der FH zu § 23). Besondere Bedarfe müssen längerfristig oder dauerhaft, zumindest regelmäßig wiederkehrend, anfallen. Ein besonderer Bedarf ist regelmäßig wiederkehrend, wenn er im Bewilligungsabschnitt voraussichtlich mehrmals anfällt.

(9) Auch Empfänger von Sozialgeld haben einen Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 28 Abs. 1 Satz 2 auf § 19 Satz 1. Zu den in Bezug genommenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gehören auch die Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 6.

6.3 Anwendungsfälle
In den nachfolgend aufgeführten Fallkonstellationen kann ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Mehrbedarf vorliegen (sog. Positivliste, keine abschließende Aufzählung):

  • Pflege- und Hygieneartikel
    Pflege- und Hygieneartikel, die aus gesundheitlichen Gründen laufend benötigt werden (z. B. Hygieneartikel bei ausgebrochener HIV-Infektion, Körperpflegemittel bei Neurodermitis), sind in erforderlichem Umfang als Mehrbedarf zu übernehmen. Die Notwendigkeit ist durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen.

  • Putz-/Haushaltshilfe für körperlich stark beeinträchtigte Personen
    Bei der Gewährung von Unterstützung für Putz- und Haushaltshilfen für körperlich stark beeinträchtigte Personen (z. B. Rollstuhlfahrer) handelt es sich um einen denkbaren Anwendungsfall der Härtefallregelung. Entscheidend ist, dass eine erhebliche und dauerhafte körperliche Beeinträchtigung besteht, die dazu führt, dass entsprechende Tätigkeiten von den Betroffenen nicht selbst verrichtet werden können.

    Die Kosten für eine Putz- und Haushaltshilfe dürfen nicht gleich-zeitig auch nach dem SGB XI tatsächlich erstattet werden. Es muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Leistungen nach dem SGB XI tatsächlich für hauswirtschaftliche Leistungen verwendet werden. Für die Gewährung von Hilfen für hauswirtschaftliche Versorgung als Leistung nach dem SGB XI ist zumindest eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I (§ 15 SGB XI) erforderlich.

    Die Kosten dürfen allerdings nicht nach dem SGB XII erstattungsfähig sein.

    Im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem siebten Kapitel des SGB XII können im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung auch Leistungen für das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung gewährt werden (§ 61 Abs. 4 Nr. 4 SGB XII). Dies setzt voraus, dass ein gewisses Maß an Pflegebedürftigkeit vorhanden ist. Die Unfähigkeit, ausschließlich im Bereich der allgemeinen Haushaltsführung anfallende Tätigkeiten ohne fremde Hilfe bewältigen zu können, reicht hierfür nicht aus.

  • Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts
    Entstehen einem geschiedenen oder getrennt lebenden Elternteil regelmäßig Fahrt und/oder Übernachtungskosten aufgrund der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinen Kindern und können diese nicht aus evtl. vorhandenem Einkommen, der Regelleistung oder Leistungen Dritter bestritten werden, können diese in angemessenem Umfang übernommen werden. Dies gilt für die Kinder entsprechend, soweit den Kindern an Stelle ihrer Eltern Kosten entstehen.

    Bei der Prüfung der Angemessenheit ist zu berücksichtigen, dass bereits nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R = BSGE 97, 242ff.) keine unbeschränkte Sozialisierung der Scheidungsfolgekosten möglich ist. Eine Leistungsgewährung kann deshalb bei außergewöhnlich hohen Kosten ausscheiden bzw. erheblich eingeschränkt wer-den. Die Grundsicherungsstellen müssen daher das Umgangs-recht nicht notwendigerweise in dem Umfang finanzieren, in dem die Eltern das Umgangsrecht vereinbart haben.

    Eine Übernahme der Kosten scheidet aus, wenn eine Umgangsrechtsvereinbarung der Eltern missbräuchlich dazu genutzt wer-den soll, dass der – nicht hilfebedürftige – sorgeberechtigte Elternteil seine Unterhaltspflicht teilweise auf die Grundsicherungs-stelle verschiebt. Dies ist z. B. der Fall, wenn der allein sorgeberechtigte Vater nicht hilfebedürftig ist. Nach einer Vereinbarung mit der hilfebedürftigen umgangsberechtigten Mutter verbringen die Kinder dennoch die meiste Zeit bei ihrer Mutter, was dazu führt, dass während der Besuchszeiten für die Kinder Leistungen nach SGB II nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen zur temporären Bedarfsgemeinschaft erbracht werden müssen und die Kinder daher überwiegend Leistungen nach SGB II erhalten – vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs nach § 33.

    Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 25.10.1994, Az.: 1 BvR 1197/93 = NJW 1995, 1342f.) verlangt Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, dass von vornherein alle das Eltern-Kind-Verhältnis bestimmenden Umstände (wie einverständliche Regelung, Alter und Zahl der Kinder) in Betracht gezogen werden, um das erforderliche Maß des Umgangs festzustellen. Die Grundsicherungsstellen dürfen demnach nicht pauschal an-nehmen, dass ein einmaliger monatlicher Besuch des Kindes in der Regel ausreichend ist.

    Es ist zudem zu prüfen, ob die durch den Umgangsberechtigten geltend gemachten Kosten vermeidbar sind. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn das Kind alt genug ist, um den umgangsberechtigten Elternteil ohne (dessen) Begleitung besuchen zu können.

    Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen können Fahrtkosten nur in Höhe der Kosten für die jeweils preisgünstigste zumutbare Fahrgelegenheit übernommen werden. Die Fahrten müssen zu-dem auch tatsächlich Besuchszwecken dienen.

    Sofern das Kind bzw. der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft leben-de Elternteil keine Leistungen nach dem SGB II bezieht und der Umgangsberechtigte aufgrund eines Unterhaltstitels Unterhalt zahlt, kann zur Eigenfinanzierung der Fahrtkosten auch eine Aufforderung zur Abänderung des Unterhaltstitels (Erhöhung des Selbstbehalts bzw. Minderung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens) in Betracht kommen. Im Rahmen des dem Unterhaltspflichtigen zustehenden Selbstbehalts sind grundsätzlich die mit dem Umgang verbundenen Kosten des umgangsberechtigten Elternteils enthalten, soweit es sich um Fahrtkosten im Bereich überschaubarer Entfernungen handelt.

    Bei Nutzungöffentlicher Verkehrsmittel können die tatsächlich entstandenen Aufwendungen bis zu den in der niedrigsten Klas-se anfallenden Kosten übernommen werden; Fahrpreisermäßigungen (z. B. Spartarife der DB) sind möglichst in Anspruch zu nehmen. Bei Nutzung eines privaten Kraftfahrzeugs können 0,20 Euro je Kilometer übernommen werden.

  • Nachhilfeunterricht
    Kosten für Nachhilfeunterricht können im Regelfall nicht übernommen werden. Vorrangig sind kostenfreie schulische Angebote wie Förderkurse zu nutzen. Sie können nur im besonderen Einzelfall gewährt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass besondere Umstände gegeben sind, z. B. langfristige Erkrankung des Schülers, Todesfall in der Familie. Zudem muss die Aussicht auf Überwindung des Nachhilfebedarfes innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, längstens bis zum Schuljahresende bestehen. Bei Nachhilfekosten wegen erwiesener Rechenschwäche oder Lese-/Rechtschreibschwäche ist die Überwindung des Nachhilfebedarfes in der Regel innerhalb eines halben Jahres nicht möglich; ein Härtefall liegt hier somit nicht vor.

Ein gesonderter Bedarf liegt in den folgenden Fallgestaltungen nicht vor (sog. Negativliste, keine abschließende Aufzählung):

  • Praxisgebühr
    Die Gebühr ist aus der Regelleistung zu finanzieren.

  • Schulmaterialien und Schulverpflegung
    Diese Kosten sind in der Regelleistung enthalten. Die Schulmaterialien sind zusätzlich über die Leistung für die Schule gemäß § 24a abgedeckt. Die Grundausstattung, die zu Beginn eines Schuljahres anfällt, sollte grundsätzlich über diese Leistung bestreitbar sein; weitere Schulmaterialien sind aus der Regelleistung zu finanzieren.

  • Schülerfahrkarte
    Die Kosten für eine Schülerfahrkarte sind grundsätzlich mit der Regelleistung abgedeckt.

  • Bekleidung und Schuhe in Über- bzw. Untergrößen
    Notwendigkeit und Angemessenheit können in der Regel nicht beurteilt werden. Der Hilfebedürftige kann diesen Bedarf grundsätzlich aus der Regelleistung decken. Ggf. kommt ein Darlehen in Betracht.

  • Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung
    Es liegt kein unabweisbarer Bedarf vor, da der Hilfebedürftige die Möglichkeit hat, in eine Krankenkasse zu wechseln, welche den Zusatzbeitrag nicht erhebt. Der Zusatzbetrag kann von der Grundsicherungsstelle nach § 26 Abs. 4 übernommen werden, wenn der Wechsel der Krankenkasse nach § 175 SGB V für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Dies gilt entsprechend für Personen, die allein durch diese Aufwendungen hilfebedürftig würden.

  • Kinderbekleidung im Wachstumsalter
    Die Notwendigkeit, Kleidungsstücke wegen des Wachstums bzw. eines erhöhten Verschleißes in kurzen Zeitabständen zu ersetzen, gehört zum Regelbedarf eines Kindes. Die Aufwendungen hierfür sind in der Regelleistung enthalten (vgl. BSG, Urteil vom 23.3.2010, Az.: B 14 AS 81/08 R).

6.4 Verfahren
(1) Die Mehrbedarfe sind jeweils längstens für einen Bewilligungszeitraum zu gewähren. Die Bewilligung sollte in der Regel endgültig erfolgen. Dies gilt dann nicht, wenn nicht absehbar ist, in welcher Höhe der Mehrbedarf im Verlauf des gesamten Bewilligungszeit-raums anfallen wird. In diesem Fall kann ein Vorschuss nach § 42 SGB I erbracht werden.

(2) Die Leistung für besondere Bedarfe ist zweckentsprechend zu verwenden. Die Bewilligung kann nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 SGB X widerrufen werden, wenn die Leistung nicht für den beantragten Zweck verwendet wird. Insofern hat der Hilfebedürftige Nachweise über die zweckentsprechende Verwendung der Leistung für den Mehrbedarf zu erbringen. Er ist auf seine Nachweispflicht sowie die Möglichkeit eines Widerrufs bei der Bewilligung hinzuweisen.

(3) Da für die Bewilligung des besonderen Mehrbedarfes erst seit der Entscheidung des BverfG am 09.02.2010 eine Rechtsgrundlage besteht, kommt für davor liegende Zeiträume eine rückwirkende Überprüfung der Leistungsgewährung gemäß § 44 SGB X insoweit nicht in Betracht (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24.03.2010 – 1 BvR 395/09