Volkszählung 2011

Rat

Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Sitzung des Rates am 30.09.2010:

Mit den Stimmen der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD legte der Deutsche Bundestag im Jahr 2009 mit dem Zensusgesetz 2011 eine Volkszählung fest, für die bereits umfangreiche Vorbereitungen und Datensammlungen laufen.

Die Volkszählung 2011 stützt sich, anders als 1987, vor allem auf die Zusammenführung der Datensammlungen der Meldeämter und der Bundesagentur für Arbeit. Diese werden mit einer eindeutigen Identifikationsnummer gespeichert und mit Daten aus dem gleichzeitig neu erstellten Wohnungsregister zusammengeführt. Dazu müssen alle Eigentümer von Gebäuden und Wohnräumen detaillierte Angaben zu Eigentumsverhältnissen, Größe und Ausstattung der Wohnungen und zu den Mietern machen. Ebenso werden etwa 10 Prozent aller Bürger nochmals ausführlich persönlich befragt. Ein Widerspruch kann nicht eingelegt werden.

Gegen die geplante Volkszählung ist mittlerweile vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und über 13.000 Bürgerinnen und Bürgern eine Verfassungsbeschwerde eingelegt worden, weil mit der geplanten Volkszählung grundgesetzwidrig das Recht auf informelle Selbstbestimmung verletzt werde.

Kritisiert wird in der Verfassungsbeschwerde insbesondere, dass

  • ein Viertel bis ein Drittel aller in Deutschland ansässigen Personen zu Zwangsbefragungen aufgesucht werde und “Erkundigungen” im familiären und nachbarschaftlichen Umfeld dulden müsse.

  • sensible persönliche Daten aus zahlreichen Quellen ohne Einwilligung der Betroffenen  zusammengeführt und die Daten von Meldeämtern und Behörden somit zweckentfremdet würden.

  • die Zuordnung der Daten über eine eindeutige Personenkennziffer möglich sei. Eine solche eindeutige, gemeinsame Ordnungsnummer hatte das Bundesverfassungsgericht 1983 ausdrücklich verboten.

  • die Erhebung nicht anonym sei, da jederzeit Rückschlüsse auf die Identität möglich seien. Es entstünde ein zentral verfügbares Personenprofil aller in Deutschland ansässigen Personen.

  • die zentrale Verfügbarkeit der Personenprofile Begehrlichkeiten wecke. Die Datenschutz-Skandale der vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass das Missbrauchspotenzial einmal angelegter Datensammlungen enorm sei.

Im Zusammenhang mit der geplanten Volkszählung 2011 fragt DIE LINKE. Ratsfraktion Düsseldorf an:

  1. Wie bewertet die Verwaltung die In-die-Pflichtnahme der Kommunen im Zuge der Volkszählung 2011 (z.B. durch § 3 ZensG 2011) vor dem Hintergrund der Unzulässigkeit einer Aufgabenzuweisung des Bundes an die Kommunen (Art. 84 I S. 7 GG)?

  2.  Welchen Planungsstand hat die Verwaltung zum Aufbau und zur Arbeit einer abgeschotteten Erhebungsstelle?

  3.  Wie beurteilt die Verwaltung die datenschutzrechtlichen Bedenken insbesondere zur eindeutigen Personenkennziffer und zur Weitergabe bei der Kommune gespeicherter Daten ohne Zustimmungserklärung der Betroffenen? 

Freundliche Grüße

 

Gilbert Yimbou                         Frank Laubenburg


Antwort der Verwaltung durch Stadtdirektor Abrahams:

Frage 1:
Wie bewertet die Verwaltung die In-die-Pflichtnahme der Kommunen im Zuge der Volkszählung 2011 (z.B. durch § 3 ZensG 2011) vor dem Hintergrund der Unzulässigkeit einer Aufgabenzuweisung des Bundes an die Kommunen (Art. 84 I S. 7 GG) ?

Antwort:
Im Zuge der Föderalismusreform wurde Art. 84 Abs. 1 GG, der die landeseigene Ausführung von Bundesgesetzen regelt, um einen Satz ergänzt, der eine direkte Aufgabenzuweisung durch den Bund an die Kommunen verbietet. Das Verbot der direkten Aufgabenzuweisung durch den Bund soll die Kommunen insbesondere vor deren finanziellen Folgen schützen.

Nach Auffassung der Verwaltung bestehen dennoch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Zensusgesetz 2011, da der Bundesgesetzgeber im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens die vom Bundesrat vertretenen Interessen der Länder hinreichend berücksichtigt hat und den Ländern zum Ausgleich des finanziellen Aufwands gemäß § 25 ZensG 2011 eine Finanzzuweisung in Höhe von 250 Mio. Euro gewährt, die nach dem jeweiligen Aufwand der Länder verteilt wird.

In dem Ausführungsgesetz des Landes NRW zum Zensusgesetz 2011 (ZensG 2011 AG NRW), das sich zur Zeit noch in der parlamentarischen Beratung befindet, konkretisiert der Landesgesetzgeber die den Gemeinden und Kreisen obliegenden Pflichten und sieht in § 15 eine Kostenregelung vor, die den Gemeinden und Kreisen als Ausgleich für die mit dem Gesetz verbundenen Belastungen einen Betrag von 27.667.006 € gewährt.

 

Frage 2:
Welchen Planungsstand hat die Verwaltung zum Aufbau und zur Arbeit einer abgeschotteten Erhebungsstelle?

Antwort:
Die Verwaltung betreibt die Vorbereitungen und Planungen zum Aufbau und Betrieb der Erhebungsstelle bis zur Rechtskraft des noch ausstehenden Ausführungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zum Zensusgesetz 2011 (ZensG 2011 AG NRW) nur soweit, dass bereits bestehende organisatorische und personelle Ressourcen in Anspruch genommen werden.

Im §10 Abs. 2 Satz 1 Zensusgesetz (ZensG) wird eine räumliche, organisatorische, und personelle Trennung der Erhebungsstelle zu den übrigen Verwaltungsstellen gefordert. Dies erfüllt die bereits existierende kommunale Statistikstelle der Stadt Düsseldorf im Amt für Statistik und Wahlen.

Daher ist geplant, die Aufgaben der Erhebungsstelle an die Statistikstelle zu übertragen. Die Ermächtigung dazu wird durch den § 3 Absatz 3 des Entwurfes des Ausführungsgesetzes NRW zum ZensG 2011 erteilt. Damit nutzt die Verwaltung die bereits vorhanden und etablierten Maßnahmen zum Schutze personenbezogener Daten.

Detaillierte Planungen zu Aufbau und Aufgaben der Erhebungsstellen werden erst nach der Verabschiedung des Ausführungsgesetzes NRW zum ZensG 2011 -voraussichtlich in der Plenarwoche 10. bis 12. November 2010 -  erfolgen können. Diese werden dann auch in der durch § 7 Absatz 4 geforderten Dienstanweisung für die abgeschottete Erhebungsstelle dargelegt werden.

Alle derzeitigen Planungen gelten nur, solange es keine relevanten Abweichungen im Landesausführungsgesetz zum bereits existierenden Entwurf des Ausführungsgesetzes NRW zum ZensG 2011 geben wird.

 

Frage 3:
Wie beurteilt die Verwaltung die datenschutzrechtlichen Bedenken insbesondere zur eindeutigen Personenkennziffer und zur Weitergabe bei der Kommune gespeicherter Daten ohne Zustimmungserklärung der Betroffenen?

Antwort:
Zur Frage einer "eindeutigen Personenkennziffer":

Ein allgemeines Personenkennzeichen wäre nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 65, 1, 53) unzulässig. Es darf keine unbeschränkte Verknüpfung zwischen den statistischen Ämtern und den Verwaltungsbehörden stattfinden.

Mit dem Zensus 2011 wird aber kein einheitliches allgemeines Personenkennzeichen eingeführt, das die Zusammenführung der Daten auch außerhalb der Statistik gestattet. Die übermittelten Registerdaten und die bei der Gebäude- und Wohnungszählung und bei der stichprobenartigen Haushaltebefragung primärstatistisch erhobenen Daten dürfen nur für den Zensus 2011 verwendet werden. Insbesondere dürfen keine Daten von den statistischen Ämtern an Behörden zurück übermittelt werden (“Einbahnstraße”). Statistikintern wird eine sogenannte Ordnungsnummer vergeben, die nach Abschluss der Aufbereitung des Zensus’, spätestens jedoch 4 Jahre nach dem Berichtszeitpunkt, zu löschen ist (§ 13 ZensG 2011). Der Bundesbeauftragte für Datenschutz hat mitgeteilt, er werde darauf drängen, diese Ordnungsnummer bereits vor Ablauf dieser 4 Jahre zu löschen."

Die bei der Kommune gespeicherten Daten werden auf der Grundlage des Zensus-Gesetzes übermittelt. Diese datenschutzrechtliche Übermittlungsbefugnis schränkt nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1985 das Informationelle Selbstbestimmungsrecht verfassungskonform ein. Denn die informationelle Selbstbestimmung ist nach diesem Urteil nicht schrankenlos gewährleistet; Einschränkungen sind im überwiegenden Allgemeininteresse durch oder aufgrund eines Gesetzes zulässig.

Selbst wenn die Verwaltung dieses einschränkende Gesetz für verfassungswidrig und damit für nichtig halten würde, würde es sich dabei lediglich um eine Rechtsansicht handeln, die den Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz nicht aufheben kann. Das Verwerfungsmonopol für Gesetze, d.h. die Befugnis, Gesetze für nichtig zu erklären, liegt ausschließlich beim Bundesverfassungsgericht. Daraus ergibt sich, dass die Verwaltung grundsätzlich den Willen der Legislative ausführen und das Zensusgesetz umsetzen muss.