Implementierung eines Risikomanagementsystems

Rat

Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Sitzung des Rates am 14.04.2011:

Mit zunehmender Häufigkeit berichtet die Tagespresse über Risikofelder bei Kommunen und kommunalen Betrieben. Die hier potentiell bestehenden Risiken sind vielfältig und komplex und stellen Kämmerer und Dezernenten vor große Herausforderungen. Ein funktionierendes Risikomanagementsystem kann dabei helfen, latent vorhandene Risiken zu minimieren und schlussendlich beherrschbar zu machen.

In diesem Zusammenhang frage ich an:

  1. Gibt es bei der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Düsseldorf ein Risikomanagementsystem, das aktuell angewendet wird?
    Wenn nein:  Mit welchem System sind die Risiken bei der Stadtveraltung in den letzten 5 Jahren identifiziert worden und welche?
    Wenn ja: Wie ist die Struktur aufgebaut?
  1. Ist die Verwaltung der Auffassung, dass die Implementierung eines Risikomanagementsystems eine bessere Übersicht über die Risikosituation der Gesamt-Verwaltung und somit die Schaffung höchstmöglicher Transparenz ermöglichen wird?
  1. Ist es richtig, dass ein Risikomanagementsystem ein Frühwarnsystem zur Vermeidung wirtschaftlicher und/oder rechtlicher Schäden  bzw. ein Hilfsmittel zur Entscheidungsvorbereitung sein kann und dementsprechend ein Pro-aktives Handeln durch die Steuerung der Risiken ermöglicht? 

Freundliche Grüße

 

Gilbert Yimbou           


Antwort der Verwaltung durch Stadtdirektor Abrahams:

Frage 1:
Gibt es bei der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Düsseldorf ein Risikomanagementsystem, das aktuell angewendet wird? Wenn nein: Mit welchem System sind die Risiken bei der Stadtverwaltung in den letzten 5 Jahren identifiziert worden und welche? Wenn ja: Wie ist die Struktur aufgebaut?

Antwort:
In Deutschland bestehende gesellschaftsrechtliche Regelungen fordern von publizitätspflichtigen Kapitalgesellschaften ein Risikomanagementsystem, ohne dass allerdings dieser Begriff in den Gesetzen erwähnt wird. Daher gibt es keine klare und eindeutige Definition, was ein Risikomanagementsystem beinhaltet. Es umfasst aber jedenfalls Methoden und Instrumente zur Identifikation und Bewältigung von existenziellen Risiken und Chancen von Unternehmen bzw. Organisationseinheiten.

Angesichts spektakulärer Firmenzusammenbrüche und Krisen ist zurzeit eine gesellschaftlich steigende Bedeutung dieses Gedankens festzustellen, die sich insbesondere bei Banken in der Entwicklung von speziellen Regelwerken wie z.B. „Basel II“ und „Basel III“ manifestiert. Auch wenn Kommunen nicht betroffen sind, gibt es auch hier erste Ansätze für eine ähnliche Diskussion. Diese zeigt, dass bereits viele
funktionierende Instrumente freiwillig bzw. auf der Basis bestehender öffentlichrechtlicher (Spezial-)Gesetze eingeführt worden sind, die allerdings bisher nicht unter dem Oberbegriff eines „Risikomanagementsystems“ zusammengefasst sind.

Damit kann die erste Frage dahingehend beantwortet werden, dass es in den letzten 5 Jahren weder ein einheitliches „Risikomanagementsystem“ noch ein vergleichbares System gab, mittels dessen bestimmte aufzählbare Risiken identifiziert worden sind. Stattdessen gibt es entsprechend der Vielzahl heterogener Aufgaben und Ziele einer modernen Stadtverwaltung eine Vielzahl von speziell angepassten Methoden, Instrumenten und Maßnahmen zur Risikominimierung.

Für die Landeshauptstadt Düsseldorf seien an dieser Stelle als finanzwirksame Risikomanagementsysteme genannt:

Haushalt/Finanz-und Leistungscontrolling
Der gemeinsame Controllingbericht des Stadtdirektors und des Personal-und Organisationsdezernenten an den Haupt-und Finanzausschuss gibt unterjährig eine Prognose des zu erwartenden finanziellen Jahresergebnisses sowie über ausgewählte Produkt-und Leistungsdaten.

Außerdem werden die ggf. eingeleiteten Gegensteuerungsmaßnahmen beschrieben. Damit bietet dieser Bericht einen Ansatz zur frühzeitigen Korrektur von ungeplanten bzw. unerwünschten Abweichungen.

Das Alarmverfahren ist ein ergänzendes internes Instrument zur schnellen Information der Verwaltungsspitze über einzelne kurzfristig eingetretene negative Abweichungen größeren Ausmaßes.

Der monatliche Controllingbericht ist ebenfalls ein verwaltungsinternes Instrument zur ständigen Überwachung der wichtigsten Positionen der Haushaltsausführung.

Im Gefolge der Einführung der dezentralen Ressourcenverantwortung und der Budgetierung haben die Fachbereiche interne Controllingverfahren entwickelt, um die Einhaltung der Budgetvorgaben und die möglichst effiziente Verwendung der Mittel zu sichern.

Gem. § 14 Gemeindehaushaltsverordnung soll bei Investitionen oberhalb der vom Rat festgelegten Wertgrenzen (in Düsseldorf 500.000 Euro) unter mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten durch einen Wirtschaftlichkeitsvergleich, mindestens aber durch einen Vergleich der Anschaffungs-oder Herstellungskosten und der Folgekosten, die für die Gemeinde wirtschaftlichste Lösung ermittelt werden. Ermächtigungen für Baumaßnahmen dürfen im Finanzplan erst veranschlagt werden, wenn z. B. Baupläne und Kostenberechnungen vorliegen. Vor Beginn einer Maßnahme unterhalb der Wertgrenze muss mindestens eine Kostenberechnung vorliegen. Die Einhaltung dieser Regelungen wird durch das Bauinvestitionscontrolling, das Rechnungsprüfungsamt sowie das Finanzdezernat geprüft und bestätigt.

Gem. § 84 Gemeindeordnung sind Gemeinden verpflichtet, ihrer Haushaltswirtschaft eine fünfjährige Ergebnis-und Finanzplanung zu Grunde zu legen und in den Haushaltsplan einzubeziehen. Ziel hierbei ist, auch die dem aktuell zu planenden Haushaltsjahr folgenden Haushaltsjahre ausgeglichen zu gestalten bzw. frühzeitig zu erkennen, dass diese Zielerreichung gefährdet sein könnte oder Liquiditätsengpässe zu erwarten sind, um geeignete finanztechnische Maßnahmen zur Abwehr zu ergreifen.

Baukostenüberwachung
Im Rahmen der Baukostenüberwachung findet ein Projektcontrolling für Hochbaumaßnahmen statt. Informationen und Erläuterungen zu einzelnen Projekten, zu denen Ausführungs-und Finanzierungsbeschlüsse vorliegen bzw. bei denen die Wertgrenze von 250.000 Euro überschritten wird, werden dabei regelmäßig überprüft. Diese Projekte -wie auch die Tiefbauprojekte -unterliegen zudem der halbjährlichen Berichtspflicht in den zuständigen politischen Gremien.

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sind erforderlich, um die effizienteste Handlungsalternative zu ermitteln. Die hierbei zugrunde liegenden Daten und Parameter unterliegen häufig Risiken und Unwägbarkeiten, die abgeschätzt und minimiert werden müssen. Hierfür werden verschiedene Verfahren eingesetzt, von denen an dieser Stelle beispielhaft nur die Sensitivitätsanalyse und die Szenarioanalyse zur Risikoerkennung sowie die Risiko-Simulation mittels Monte-Carlo-Methode zur Risikobewertung genannt werden soll.

Vergabe von Beschaffungsaufträgen
Alle Submissionen nach der Vergabe-und Vertragsordnung für Leistungen und Bauleistungen (VOL und VOB) sind von den städtischen Dienststellen, städtischen Eigenbetrieben und eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen auf die unabhängige Submissionsstelle des Bauverwaltungsamtes zu übertragen. Hier findet u.a. die Eröffnungsverhandlung statt und die Angebote werden zwecks Datensicherung aufbereitet sowie rechnerisch geprüft.

Bei der Stadtverwaltung kommt i.ü. eine interne Geschäftsanweisung für die Vergabe von Aufträgen, die das Verfahren für die Beschaffung der von der Stadt Düsseldorf benötigten Bau-, Liefer-und Dienstleistungen regelt, zur Anwendung. Zum Beispiel ist hier geregelt, dass ab einem Auftragswert von mehr als 10.000 Euro vor Auftragsvergabe drei Angebote eingeholt werden müssen, damit u.a. ein ausreichender wirtschaftlicher Vergleich stattfindet.

Beteiligungs-und Eigengesellschaften
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) im Jahre 1998 wurde das Aktiengesetz dahingehend erweitert, dass der Vorstand, aber auch die Geschäftsführungen der GmbHs gehalten sind, geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, um den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Zu diesen Entwicklungen können insbesondere risikobehaftete Geschäfte, Unrichtigkeiten der Rechnungslegung und Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften gehören, die sich auf die Vermögens, Finanz-und Ertragslage der Gesellschaft oder des Konzerns auswirken. Unter Berücksichtigung möglicher Risiken werden die Gesellschaftsgremien der städtischen Beteiligungsunternehmen regelmäßig informiert. Im Übrigen enthält der Fragenkatalog zur Prüfung nach § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz, der Anlage der Prüfungsberichte ist, Aussagen zum Risikofrüherkennungssystem der Gesellschaft.

Zuwendungscontrolling
Zuwendungen an Dritte dienen der Förderung von Leistungen für die Bürger, die als städtische Ziele ansonsten im Regelfall zu höheren Kosten selbst erbracht werden müssten. Um das Risiko der bestimmungsgemäßen Verwendung zu minimieren schreiben Richtlinien u.a. die Vorlage von Verwendungsnachweisen vor.

Antikorruptionskonzept
Das umfassende Antikorruptionskonzept soll den Risiken für die Allgemeinheit, die Stadtverwaltung und die Beschäftigten vorbeugen, die sich aus Missbrauch einer amtlichen Funktion zwecks Vorteilserlangung ergeben würden.

Daneben existiert eine Vielzahl von fachlichen Risikomanagementsystemen.
Beispielhaft seien an dieser Stelle genannt:

Arbeitssicherheit
Bei der technischen Arbeitssicherheit geht es insbesondere um die Sicherheit der Betriebsanlagen und Arbeitsmittel sowie um den Schutz der Mitarbeiter vor Unfällen und Belastungen am Arbeitsplatz. U.a. haben Sicherheitsbeauftragte die Aufgabe, Unfall-und Gesundheitsgefahren zu erkennen und auf deren Beseitigung hinzuwirken.

Innenrevision
In verschiedenen Ämtern der Stadtverwaltung ist eine Innenrevision eingerichtet, die interne Prozesse und Abläufe überprüft und analysiert. Die Innenrevision hat eine unabhängige Funktion. Sie erbringt Prüfungs-und Beratungsleistungen, um die Amtsleitung in der Erreichung ihrer Ziele sowie bei der Wahrnehmung der Dienst-und Fachaufsicht zu unterstützen. Die Innenrevision ist weder in Arbeitsabläufe eingebunden noch für deren Ergebnisse verantwortlich. Dadurch wird eine prozessunabhängige Überwachung ermöglicht. Die Beurteilungen der Innenrevision orientieren sich vor allem an den Grundsätzen der Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit.

IT-Sicherheit
Um die IT-Sicherheit zu gewährleisten sind verschiedene Sicherheitskonzepte eingeführt worden, um Risiken aus einem Ausfall der Datenverarbeitung vorzubeugen.

U.a. sind die Mitarbeiter gehalten, die Maßnahmen zum Datenschutz und zur Datensicherheit zu beachten. Qualitätsmanagement im Kinderschutz

Das Jugendamt hat inzwischen wesentliche Schritte für ein Risikomanagement im Rahmen der Qualitätssicherung im Kinderschutz umgesetzt und entwickelt dieses Verfahren kontinuierlich weiter.

Straßenbegehungen
Zur Abwehr von Personen-und Sachschäden und damit einhergehend zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen finden regelmäßig Straßenbegehungen und Untersuchungen zur Standfestigkeit von Bäumen statt, um Gefahrenstellen im Entstehen zu erkennen und zu beheben.


Frage 2:
Ist die Verwaltung der Auffassung, dass die Implementierung eines Risikomanagementsystems eine bessere Übersicht über die Risikosituation der Gesamtverwaltung und somit die Schaffung höchstmöglicher Transparenz ermöglichen wird?

Antwort:
Bezogen auf die Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Düsseldorf ist nicht damit zu rechnen, dass sich durch Einführung eines expliziten Risikomanagementsystems die Transparenz hinsichtlich der Risikosituation nennenswert verbessern lässt. Dem würden i.ü. die zusätzlichen Kosten eines derartigen zentralisierten Systems gegenüberstehen, für das entsprechende Stellenneuschaffungen erforderlich wären.

Für die Verwaltung der Landeshauptstadt Düsseldorf lässt sich feststellen, dass die hier bereits eingeführten und derzeit genutzten Instrumente Schäden – soweit überhaupt möglich -bisher wirksam vermieden haben, die erforderliche Transparenz für Entscheidungen herbeigeführt haben und auch weiterhin als grundsätzlich geeignet angesehen werden, Risiken zu erkennen und zu bewältigen.

Gleichwohl werden von der Verwaltung der Landeshauptstadt Düsseldorf aktuelle Entwicklungen und Diskussionen kritisch verfolgt und auf praktische Umsetzbarkeit geprüft.
Dies bedeutet auch, dass -sollten sich z.B. neuartige Risiken ergeben -die derzeitigen Instrumente und Maßnahmen in geeigneter Weise weiterzuentwickeln und ggf. zu ergänzen sein werden.


Frage 3:
Ist es richtig, dass ein Risikomanagementsystem ein Frühwarnsystem zur Vermeidung wirtschaftlicher und/oder rechtlicher Schäden bzw. ein Hilfsmittel zur Entscheidungsvorbereitung sein kann und dementsprechend ein pro-aktives Handeln durch die Steuerung der Risiken ermöglicht?

Antwort:
Die Methoden und Instrumente, die letztlich ein Risikomanagementsystem im oben genannten Sinne bilden, sind sicherlich für die Organisationen geeignet, für die sie ursprünglich entwickelt worden sind, also die privatwirtschaftlichen, auf Gewinnerzielung gerichteten Unternehmen. Sie können dort ein wirksames Frühwarnsystem zur Vermeidung von Schäden und ein Hilfsmittel zur Entscheidungsvorbereitung bilden.