Industriestandort Düsseldorf sozial und ökologisch gestalten

Ausschuss für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Liegenschaften

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zur Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Liegenschaften am 20.01.2011:

Der Ausschuss für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Liegenschaften stellt fest:

Die Entwicklung auf dem Düsseldorfer Arbeitsmarkt ist geprägt von einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit sowie einer Zunahme atypischer, nicht existenzsichernder Beschäftigungsverhältnisse (Minijobs, Leiharbeit usw.). Im industriellen Sektor nimmt die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse zudem kontinuierlich ab - bei steigenden Umsätzen der Unternehmen. Trotz des offensichtlichen Produktivitätszuwachses sind die Reallöhne dabei seit nunmehr zehn Jahren rückläufig.

Das aktuelle – von der Verwaltung in ihrer Vorlage 62/134/2010 auf die Rolle der Bundesrepublik als „industriestärkste Volkswirtschaft“ zurückgeführte – Wirtschaftswachstum für 2010 beruht vor allem auf Einmaleffekten (Lageraufstockung, Staatskonsum, Anlageinvestitionen) und wird im Jahre 2011 wesentlich schwächer ausfallen. Im Vergleich zu 2010 ist in 2011 zudem mit einem deutlich niedrigerem Wachstum im Bereich des Außenhandels zu rechnen.

Im industriellen Sektor ist insbesondere die seit Jahren steigende Exportquote (zwischen 1995 und 2007 erhöhte sie sich von knapp 30 % auf über 46 %) ein dauerhaftes und großes Problem für die wirtschaftliche Entwicklung. Diese „hohe Konkurrenzfähigkeit der Düsseldorfer Industrie“ ist vor allem auf den Abbau und die Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen zurückzuführen.

Dadurch sind die deutschen Lohnstückkosten seit 2000 nur um sieben Prozent angestiegen, während der Zuwachs im Schnitt der Euroländer – ohne Deutschland –  bei 27 Prozent liegt.

Mangelnde Kaufkraft und dadurch fehlende Binnennachfrage werden in der Wirtschaftspolitik seit Jahren ignoriert und sollten durch die Exportorientierung ausgeglichen werden. Die Exportüberschüsse allerdings sind vor allem durch Verschuldung der USA und der europäischen Südländer finanziert worden. Diese Verschuldung ist nicht fortführbar. Ohne weitere Verschuldung der Absatzländer wiederum stockt der Export.

Eine wirkliche Absicherung des Industriestandortes Düsseldorf wird von daher nur möglich sein, wenn die Binnennachfrage durch höhere Bruttolöhne und Staatsausgaben gestärkt und die Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen zurückgedrängt wird.

Zudem muss sich die industrielle Struktur unserer Ökonomie auf die knapper werdenden Ressourcen einstellen und die stoffliche Basis der Industrie in wichtigen Bereichen zunehmend auf nachwachsende Rohstoffe umstellen. Auch hierzu muss kommunale Wirtschaftsförderung einen Beitrag leisten.

Kommunale Wirtschaftsförderung ist nötig, um die Bedingungen für nachhaltige, ökologisch verantwortbare, sinnvolle und Existenz sichernde Beschäftigung zu schaffen. Wirtschaftsförderung muss zur Förderung von guter Arbeit werden, sie darf sich nicht daran orientieren, in Konkurrenz zu anderen Kommunen den Profitinteressen einzelner Unternehmen möglichst weit entgegen zu kommen.

Der Ausschuss für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Liegenschaften beauftragt die Verwaltung vor diesem Hintergrund

  • Schutz vor heranrückender Wohnbebauung auch im  Bereich des Düsseldorfer Hafens zu gewährleisten.

  • städtische Infrastrukturmaßnahmen und planungsrechtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit geplanten Ansiedlungen, Expansionen und Betriebsverlagerungen an vertragliche Regelungen (Arbeitsplatz- und Sozialstandardgarantien) mit den betreffenden Unternehmen zu knüpfen.

  • dem AWTL, dem APS und dem Rat  bis zum Sommer 2011 ein Grundsatzpapier zur ökologischen und sozialen Entwicklung des Industriestandortes Düsseldorf vorzulegen. An der Erarbeitung sollen  Gewerkschaften, Betriebsräte und Umweltverbände beteiligt werden.

Begründung:
Ein differenzierter Blick allein auf die Beschäftigtenentwicklung in Düsseldorf in den letzten Jahren macht deutlich, dass sich hinter der Zunahme der absoluten Beschäftigtenzahlen vor allem eine Zunahme atypischer, nicht Existenz sichernder Beschäftigungsverhältnisse verbirgt: Leiharbeit, Mini- und Teilzeitjobs haben in den letzten Jahren massiv zugenommen.

So ist die Anzahl der Vollzeitstellen in Düsseldorf von 2003 bis 2009 gerade einmal um 2,4 % gestiegen, das sind 7.253 Stellen.

Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Teilzeitstellen um 19,6 % an (ein plus von 8.891 Stellen), bei den Minijobs gab es sogar einen Zuwachs von über 44 %.

10,76 % all derjenigen, die als Beschäftigte gezählt werden, also 46.683 Personen, haben ausschließlich einen Minijob, also ein maximales Erwerbseinkommen von 400,00 Euro. Mehr als verdoppelt hat sich von 2003 bis 2009 die Zahl der LeiharbeiterInnen, von 4.189 auf 10.628 Personen, das ist ein Zuwachs von 153 %.

Die Arbeitslosenquote ist in diesen Jahren trotz der absoluten Stellenzunahme in Düsseldorf real nicht gesunken, sondern sogar gestiegen. Sie lag im Dezember 2003 bei 11 % und im Dezember 2010 bei 12 % (eingerechnet sind bei der Quote von 12 % auch sog. „Ein-Euro-Jobs“ und Erwerbslose, die von „privaten Arbeitsvermittlern“ betreut werden – das gab es 2003 nicht und die große Koalition aus CDU/SPD hat 2006 beschlossen, diese Erwerbslosen aus den Statistiken zu streichen. Damit kommt die Arbeitsagentur Düsseldorf dann auf eine angebliche Arbeitslosenquote von nur 9,2 %).

Besonders dramatisch wirkt sich diese Entwicklung auf Frauen aus. Sie stellen einerseits nur 46,4 % der Gesamtbeschäftigten, allerdings 78,4 % der Teilzeitbeschäftigten und über 63 % derjenigen, die nur einen Minijob als Beschäftigungsverhältnis haben.

Im sekundären Sektor hält der Abbau von Stellen auch in Düsseldorf an. Von 2003 bis 2008 gingen hier 3.823 Stellen verloren, im Jahre 2009 erneut 858 Stellen (diese Zahl ist aufgrund der Umstellung der Klassifikation der Wirtschaftszweige allerdings nur begrenzt vergleichbar zu den Vorjahreszahlen).

Klimawandel, CO2-Ausstoß und die knapper werdende Ressourcen machen einen industriepolitischen Wandel notwendig: nicht mehr das überhaupt etwas produziert wird, muss entscheidend sein, sondern was und wie produziert wird. Auch hier ist die Verwaltung gefordert, ihre bisherige klassisch neoliberale Wirtschaftsförderungspolitik zu korrigieren.

Freundliche Grüße

 

Frank Laubenburg                    Carina Limper              Helmut Goldenstedt