Leiharbeit und Werkverträge in städtischer Verwaltung und bei Tochterfirmen
Anfrage der Ratsfraktion DIE LINKE zur Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss am 11.03.2024 (HFA/007/2024):
Laut Bundesarbeitsagentur waren im Jahresdurchschnitt 2021 in Deutschland
830.000 Beschäftigte als Leiharbeitnehmer:innen tätig. Nach dem Konjunktur-
Einbruch während der Pandemie war die Zahl der Leiharbeiter:innen zunächst
leicht gesunken, stieg zuletzt aber um 4 Prozent. Insgesamt betrachtet ist ihre
Zahl in den letzten zehn Jahren dennoch auf das Zehnfache, in den letzten 20
Jahren auf das 25-fache gestiegen.
Etwa 2,1 Prozent aller Beschäftigten sind in Deutschland über Leiharbeitsfirmen
beschäftigt (neudeutsch auch “Arbeitnehmerüberlassung” genannt). Laut
Aussage der Arbeitsagentur lag der Anteil in Düsseldorf in der ersten Hälfte des
Jahres 2023 bei 3,03 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten
im „Wirtschaftszweig Arbeitnehmerüberlassung“.
Das Marktvolumen für Leiharbeit in Deutschland stieg 2022 erneut an und
übertraf mit einer Steigerung um 9,3 Prozent auf 33,9 Milliarden das Niveau in
der Vor-Corona-Zeit von 2019 (31,1 Mrd. €).
Selbst die Bundesagentur stellt zum Thema Leiharbeit fest: „Das Zugangsrisiko
in Arbeitslosigkeit aus Zeitarbeit ist überdurchschnittlich hoch“. Die Entlohnung
ist dafür miserabel. „Die erzielten Bruttoarbeitsentgelte in der Zeitarbeit sind
unterdurchschnittlich. Sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte erhielten
im Jahr 2022 im Mittel (Median) ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 3.646 €. Der mittlere Verdienst in der Zeitarbeit war mit 2.254 € um 39 Prozent
niedriger.“ (Blickpunkt Arbeitsmarkt der Arbeitsagentur Juli 2023)
Für einfache Tätigkeiten wurde den Beschäftigten in der Leiharbeit 25 % weniger
Lohn bezahlt als in regulären Jobs, bei Tätigkeiten auf Fachkraft-Niveau 22 %,
schreibt die Arbeitsagentur weiter.
Der Einsatz von Leiharbeitnehmer:innen, die zu Dumpinglöhnen in den Betrieben
eingesetzt werden, übt Druck auf die Stammbelegschaften aus und hebelt die
Tarifverträge aus. Gleichzeitig nutzen auch Kommunen das Mittel der Leiharbeit
und zeitlich begrenzter Arbeitsverträge. Das sorgt für Unsicherheit bei den
Betroffenen, ob ihr Vertrag verlängert wird und schafft keine sichere
Zukunftsperspektive.
Leiharbeit vernichtet reguläre Arbeitsplätze und drückt die Löhne. Das hat nicht
nur Folgen für die Leiharbeitenden, die einem höherem Verarmungsrisiko
ausgesetzt sind, sondern auch für die öffentlichen Haushalte. 2023 waren 3,9
Millionen Menschen arbeitsfähige Leistungsempfänger:innen, davon waren 0,8
Millionen Menschen sogenannte Aufstocker:innen. Das heißt, dass bei fast jedem
fünften Bürgergeld-Bezieher:in der Lohn durch Arbeit zum Leben nicht reichte
und ergänzend staatliche Leistungen aus der Grundsicherung bezog.
So muss der Bund, neben dem Verlust von Steuereinnahmen und Beiträgen zur
Sozialversicherung, jährlich elf Milliarden Euro aufwenden, um die Verdienste
von Leiharbeitenden und Geringverdienenden über Bürgergeld (früher Hartz IV)
aufzustocken und subventioniert damit Betriebe, die Armutslöhne zahlen.
Aufgrund der Veränderung des Gesetzes zur Arbeitnehmerüberlassung weichen
Leiharbeitsfirmen und Unternehmen auf die Form von ebenso zeitlich
gebundenen sogenannten Werkverträgen aus. In gleicher Weise wird über
Werkverträge und/oder Dienstverträge, Geschäftsbesorgungsverträge usw.
Lohndumping betrieben. Es geht um den Einsatz von Gruppen von
Arbeitnehmer:innen als Fremdpersonal in Unternehmen, wie auch bei
kommunalen Diensten. Alles hat ein und denselben Zweck: Reduzierung der
Personalkosten im Vergleich zur Stammbelegschaft.
In diesem Zusammenhang frage ich an:
- Wie viele Personen mit welchen Entgeltstufen und in welchenBereichen waren bei der Stadt Düsseldorf und ihrenTochterunternehmen (aufgeschlüsselt nach Unternehmen) im Rahmen eines Leiharbeitnehmer:innenverhältnis und/oderWerkvertrages 2023 beschäftigt?
- In welchen Bereichen der städtischen Verwaltung und beiBeteiligungsgesellschaften bestehen Werkverträge mitFremdfirmen und welche Tätigkeiten werden über dieseabgewickelt?
- Wie stellen sich die Arbeitsentgelte für die Stammbelegschaftund Leiharbeitnehmer:innen und/oder Werkverträgen in der jeweiligen Bereichen im Vergleich dar?
Mit freundlichen Grüßen
Julia Murmulla Anja Vorspel
Antwort der Verwaltung durch den Beigeordneten Wagner:
Antwort zu Frage 1:
Landeshauptstadt Düsseldorf
Die Landeshauptstadt Düsseldorf legt großen Wert auf eine nachhaltige Personalakquise
unter Nutzung möglichst vieler verschiedener Instrumente. Vom Instrument der
Arbeitnehmerüberlassung wird insbesondere Gebrauch gemacht, um zeitlich begrenzte
Arbeitsspitzen zu bewältigen oder sehr kurzfristige dringliche Personalbedarfe zu decken.
Im Jahr 2023 waren insgesamt 61 Leiharbeitnehmer*innen bei der Stadtverwaltung
Düsseldorf eingesetzt. Die konkreten Einsatzbereiche und Entgelt-gruppen sind der
Anlage zu entnehmen. Rund 6 Personen (9,84 %) konnten in ein festes
Beschäftigungsverhältnis übernommen werden. Bei weiteren 2 Personen ist eine
Übernahme zum Ende des vertraglichen Einsatzzeitraumes wahrscheinlich.
Hinweis:
Die Beantwortung der Fragen 1 – 3 beinhaltet für die Landeshauptstadt Düsseldorf keine
Aussagen zum Thema Werkverträge, da diese nicht zentral durch das Hauptamt
bearbeitet werden. Auf eine manuelle Abfrage in allen Ämtern und Instituten der Stadt-
verwaltung wurde aufgrund des erheblichen personellen Aufwandes verzichtet.
Städtische Tochterunternehmen
Die Antwort ist der tabellarischen Übersicht zu entnehmen. Insgesamt liegen
Nennungen von 24 Gesellschaften (inklusive Tochtergesellschaften) vor, von denen
9 im erfragten Rahmen Personen beschäftigen.
Jahr | 2023 |
Summe Leiharbeitnehmer:innenverhältnisse/Werkverträge | 149 |
davon: | |
Stadtwerke Düsseldorf AG | 85 |
Düsseldorf Congress GmbH | 24 |
Sana Kliniken Düsseldorf GmbH | 19 |
Regiobahn Fahrbetriebsgesellschaft mbH | 10 |
übrige Beteiligungsgesellschaften | 11 |
Bezüglich der Entgeltstufen konnten keine aussagekräftigen Angaben gemacht werden, weil die Gesellschaften unterschiedlichen Tarifverträgen unterliegen.
Antwort zu Frage 2:
Landeshauptstadt Düsseldorf
Für die Landeshauptstadt Düsseldorf gilt der Hinweis unter Frage 1.
Städtische Tochterunternehmen
Werkverträge mit Fremdfirmen bestehen bei den folgenden städtischen Beteiligungs-
gesellschaften mit einem Anteil von mehr als 25 %:
Beteiligungsgesellschaft | Tätigkeiten |
Stadtwerke Düsseldorf AG | Tiefbau, Hochbau, Anlagenbau, Beratung, IT, Reinigung |
Düsseldorf Congress GmbH | Technik: Vollständige Gewerke im Bereich Licht und Ton |
Sana Kliniken Düsseldorf GmbH | Ärztlicher Dienst und Pflegedienst: Unterstützung bei akuten Personalausfällen |
Neue Schauspiel GmbH | Technik, Pforte, Reinigung |
Bädergesellschaft Düsseldorf mbH | Bau/Technik: Bauleistungen, Handwerkerleistungen, Planungen (insbesondere Architekten- und Ingenieurleistungen), Reinigung, Beraterleistung |
Messe Düsseldorf GmbH | Montagen, Bau, Verkehrslogistik, Reinigung, Veranstaltungslogistik, Standbau, IT, Marktforschung, Agenturleistungen |
Industrieterrains Düsseldorf- | Bauleistungen, Handwerkerleistungen, Planungen |
Reisholz AG, Bünger Bau- und | (insbesondere Architekten- und Ingenieurleistungen): |
Projektmanagement | Bau, Instandhaltung und Instandsetzung von |
Immobilien und deren Planung | |
IPM Immobilien | Projekt | | Bauleistungen, Handwerkerleistungen, Planungen |
Management Düsseldorf GmbH | (insbesondere Architekten- und Ingenieurleistungen): |
Bau, Instandhaltung und Instandsetzung von | |
Immobilien und deren Planung | |
Rheinbahn AG | Reinigungsdienstleistungen (Gebäude und |
Fahrzeuge), Rangieren von Fahrzeugen, Winterdienst, | |
Service & Sicherheitsdienstleistungen, | |
Fahrausweisprüfdienste. |
Antwort zu Frage 3:
Landeshauptstadt Düsseldorf
Die Verwaltung beauftragt ausschließlich tarifgebundene Unternehmen, so dass die im jeweiligen Tarifvertrag getroffenen Vereinbarungen gelten. Dabei kommen in der Regel die zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitunternehmen e.V. (IGZ e.V.) und dem Bundesverband Zeitarbeit (BZA) und den Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge zur Anwendung. Diese regeln u.a. die wesentlichen Arbeitsbedingungen wie Arbeitsentgelt, Arbeitszeit und Urlaub.
Es wird somit eine tarifkonforme Entlohnung sichergestellt. Darüber hinaus ist ein direkter Vergleich nicht möglich, da in den Stundensätzen der Entleihfirmen außer dem Verdienst der entliehenen Mitarbeitenden auch Sozialkosten sowie eine Gewinnspanne enthalten sind.
Städtische Tochterunternehmen
Zum Vergleich der Arbeitsentgelte wurden seitens der Gesellschaften folgende Aussagen getätigt:
Beteiligungsgesellschaft | Anmerkung zur Entlohnung |
Stadtwerke Düsseldorf AG | Bei SWD werden alle Stellen nach der HAY-Systematik bewertet, sodass die Vergütung von ANÜ-Kräften analog der Vergütung unserer Mitarbeitenden erfolgt. Innerhalb der Werkverträge sind die Auftragnehmer mindestens zur Zahlung der gesetzlichen/tariflichen Mindestlöhne verpflichtet. |
Düsseldorf Congress GmbH | Die Leiharbeitnehmer:innen werden nach dem Equal Pay Grundsatz vergütet. |
Sana Kliniken Düsseldorf GmbH | Stammbelegschaft: Pflege: P7-P9 (TVöD); Ärzte: EG1-EG2 (TV |
Ärzte). Es wird ein vereinbarter Studensatz an die Fremdfirmen gezahlt. Dieser ist variiert je nach Fremdfirma und nach der | |
Qualifikation der Leiharbeitnehmer:innen. Wie sich daraus die | |
Vergütung der Leiharbeitnehmer:innen zusammensetzt ist nicht transparent. | |
Werkstatt für angepasste Arbeit | Der Stundenlohn der eingesetzten Kräfte ist uns nicht bekannt. Der |
GmbH | Verleiher sichert zu, dass er gemäß Tarifvertrag bezahlt und die |
Regelungen des Equal-Pay einhält. Pro Stunde zahlen wir an den | |
Verleiher 33,45 EUR bis 35,45 EUR. Der Einstiegsstundenlohn eines | |
Mitarbeitenden liegt bei 18,38 EUR. Wir setzen dies nur kurzfristig und für kurze Zeiträume bei Personalengpässen aufgrund Krankheit ein (in 2023 insgesamt etwa 10 Wochen). | |
Neue Schauspiel GmbH | Die Vergütung der Werkverträge ist ca. 30% höher als für vergleichbare angestellte Tätigkeiten. Bzgl. der Vergütung für |
Leiharbeit ist kein Vergleich möglich, da die Vergütungssätze anderen tariflichen Grundlagen unterliegen und | |
Sozialversicherungsbeiträge sowie Gewinnsätze enthalten. | |
Bädergesellschaft Düsseldorf mbH | Bei der Stammbelegschaft wird nach Tarif bezahlt. Die Leihmitarbeiterin erhält Entlohnung gemäß Tarifvertrag des |
Entleihers. | |
Messe Düsseldorf GmbH | Das Arbeitsentgelt war vergleichbar mit eigenen Mitarbeitenden. |
Digital Innovation Hub Düsseldorf/Rheinland GmbH | Personalkosten Stammbelegschaft im Jahr 2023: ca. 1.111.000 €; da keine LeiharbeitnehmerInnen beschäftigt wurden, ist kein |
Vergleich möglich. | |
Industrieterrains Düsseldorf- | projektbezogene Abrechnung, keine Einschätzung möglich. |
Reisholz AG, Bünger Bau- und | |
Projektmanagement | |
IPM Immobilien | Projekt | Management Düsseldorf GmbH | projektbezogene Abrechnung, keine Einschätzung möglich. |
Rheinbahn AG | Kriterien der Zusammenarbeit mit Fremdfirmen sind u.a.: die |
Fremdfirmen müssen Tarifverträge nachweisen und eine | |
Mindestlohnerklärung abgeben. |
Anlage zu Frage 1:
Amt | Anzahl Personen | Tätigkeit | Entgelt- gruppe |
10/4 | 1,00 | IT-Koordination | EG 9a |
20/1 | 2,00 | Sachbearbeitung Jahresabschluss | EG 10 |
20/4 | 1,00 | Sachbearbeitung Buchhaltung BgA | EG 10 |
50 | 1,00 | Sachbearbeitung Investitionskostenförderung | EG 10 |
1,00 | Grundsicherung Ukraine | EG 8 | |
51 | 3,00 | Mitarbeit Wirtschaftliche Erziehungshilfe | EG 8 |
23,00 | Infopoint | EG 6 | |
23,00 | Servicepoint Ukraine | EG 6 | |
66 | 1,00 | Sachbearbeitung Unterstützung | EG 10 |
2,00 | Fachinformatiker | EG 10 | |
2,00 | Verfahrenstechnik Klärwerk-Nord | EG 8 | |
1,00 | Finanzbuchhaltung | EG 8 | |
Summe | 61 |