Strafanträge wegen „Erschleichens von Beförderungsleistungen“

Ordnungs- und Verkehrsausschuss

Anfrage der Fraktion DIE LINKE.Düsseldorf zur Sitzung des Ordnungs- und Verkehrsausschusses am 6. Februar 2019: 
Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen verbüßen jährlich ca. 7.000 Personen eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen Fahrens ohne gültigen Fahrausweis. Dafür strengen die Verkehrsunternehmen jährlich über 200.000 Strafverfahren an. 

Die strafrechtliche Verfolgung des Delikts der „Beförderungserschleichung“ wird vom Deutschen Richterbund kritisiert. Der Vorsitzende des Richterbundes, Jens Gnisa, argumentierte unter anderem, dass die Verkehrsunternehmen die Kosten einer wirksamen Zugangskontrolle zu Bussen und Bahnen einsparten und die Folgekosten auf den Staat abwälzten. Laut einer Umfrage unter den Bundesländern und einer Auswertung der offiziellen Statistik durch das ARD-Fernsehmagazin „Monitor“ summieren sich diese Kosten jedes Jahr auf über 200 Millionen Euro.

Der Deutsche Richterbund appellierte daher im Februar 2018 an den Gesetzgeber, eine Herabstufung des „Erschleichens von Beförderungsleistungen“ vom Straftatbestand zur Ordnungswidrigkeit zu prüfen. Auch DIE LINKE Ratsfraktion sieht gute Gründe für einen anderen Umgang mit der „Beförderungserschleichung“ durch die Rheinbahn und von Seiten der Stadt. 

Das Sozialticket NRW kostet mittlerweile in der günstigsten Variante 38,65 Euro pro Monat und ist nach Einschätzung der LINKEN deutlich zu teuer für seine Zielgruppe. ALG-II-Beziehende müssen rund zehn Prozent ihres Einkommens für dieses Ticket aufwenden. Personen, die finanziell nicht in der Lage sind, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bezahlen, sind im Anschluss erst recht nicht in der Lage, die Bußgelder („erhöhten Beförderungskosten“) aufzubringen. Haftstrafen oder Ersatzarbeitsstunden in Folge der Nichtzahlung von Geldstrafen („erhöhten Beförderungsentgelte“) treffen laut Nicole Bögelein vom Institut für Kriminologie Köln ausschließlich Personen, die nicht zahlen können – Sozialleistungsbeziehende und Gering(st)verdienende. Die „Beförderungserschleichung“ ist also auch ein soziales Problem.

Wenn vorwiegend finanzielle Not der Auslöser von „Beförderungserschleichungen“ ist, liegt es nahe, zu überprüfen, ob ein deutlich günstigeres Sozialticket für die Stadt Düsseldorf eine spürbare Reduzierung der Ersatzhaftstrafen und der Strafverfahren in Düsseldorf bewirken könnte.                                                                                      

DIE LINKE Ratsfraktion Düsseldorf fragt an:                       

  1. In wie vielen Fällen erhob die Rheinbahn in den vergangenen zehn Jahren ein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ wegen Fahrens ohne gültigen Fahrschein (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? 
     
  2. Gegen wie viele Personen stellte die Rheinbahn in den letzten zehn Jahren Strafantrag wegen „Erschleichen“ der Beförderungsleistung nach § 265a StGB (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Verfahrensausgang)?                                                                             
  3. Bewertet die Verwaltung ein Sozialticket für Düsseldorf zum Preis von 10 Euro pro Monat als vielversprechende Maßnahme zur Reduzierung von Strafverfahren gegen DüsseldorferInnen wegen armutsbedingter „Beförderungserschleichung“?

Mit freundlichen Grüßen
 

Anja Vorspel                      Georg Blanchard                              Lutz Pfundner

 

Antwort der Verwaltung am 06.02.2019 (Beigeordnete Zuschke)

zu Frage 1: Die Fallzahlen des in den vergangenen zehn Jahren von der Rheinbahn erhobenen „erhöhten Beförderungsentgeltes“ (EBE) sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen.

Jahr

Anzahl der EBE-Fälle

Klassische* EBE-Fälle

2009

70.049

Datensätze gelöscht

2010

53.898

Datensätze gelöscht

2011

53.438

Datensätze gelöscht

2012

56.648

Datensätze gelöscht

2013

60.471

Datensätze gelöscht

2014

52.805

37.656

2015

51.355

32.398

2016

59.448

38.435

2017

56.592

35.669

2018

53.140

30.492

 

*EBE-Fälle ohne folgende Fallgruppen:

- Lichtbildausweis / persönliches Ticket vergessen

- Kulanz / Niederschlagung

zu Frage 2: Strafanträge werden nur bei klassischen EBE-Fällen gestellt. Die Zahl der in den letzten 10 Jahren gestellten Strafanträge ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen

Jahr

Anzahl der Strafanträge 

2009

3.286

2010

3.521

2011

2.757

2012

3.219

2013

3.644

2014

3.349

2015

2.723

2016

1.165

2017

1.504

2018

1.965

 

zu Frage 3: Die Verwaltung sieht in einer Absenkung des Preises für das SozialTicket für Düsseldorf auf 10 Euro nicht als wirksames Mittel zur Reduzierung von Strafverfahren wegen armutsbedingter „Beförderungserschleichung“ an. Die Tarifhoheit liegt beim VRR, insofern kann nicht allein für Düsseldorf eine eigene Tarifkonzeption erfolgen. Damit müssten sich die VRR-Gremien befassen.
Unabhängig von dieser grundsätzlichen Beratungsnotwendigkeit der VRRGremien gibt es nach Auskunft der Rheinbahn aus der Branchenerfahrung heraus keine Erkenntnisse, dass ein preisreduziertes SozialTicket zu einer Reduzierung
der EBE-Fälle führt. Ein SozialTicket in Höhe von 10 Euro gab es vor der VRRweiten Einführung in Dortmund. Dort hat das günstige Ticket zu keiner Reduzierung von Strafverfahren geführt. Auch liegen der Verwaltung keine Erkenntnisse vor aus der ein Zusammenhang von Ticketpreisen und der Zahl der Fälle der Beförderungserschleichung abgeleitet werden kann.
Die Rheinbahn verkaufte in 2018 im Durchschnitt 21.500 SozialTickets pro Monat. Eine Reduzierung des SozialTicket-Preises um knapp 29 Euro pro Ticket würde bei der Rheinbahn zu einer Einnahmenreduzierung von rd. 625 Tsd. Euro pro Monat, d.h. ca. 7,5 Mio. Euro pro Jahr führen.