Überstunden bei der Feuerwehr

Personal- und Organisationsausschuss

Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Sitzung des Personal- und Organisationsausschusses am 12.07.2011:

In der Sitzung vom 20. Oktober 2010 stellte die Fraktion DIE LINKE eine Anfrage zu den Überstunden bei der Feuerwehr. Allein im Jahr 2006 fielen demnach rund 77.000 Überstunden an. „Dies entspricht für jeden einzelnen Feuerwehrbeamten einem Umfang von max. bis zu 145,32 Stunden.“ Aus den Antworten ging weiterhin hervor, dass Ausgleichsmaßnahmen zu den angefallenen Überstunden „schnellstmöglich umgesetzt“ werden sollen. Aus Berichten von FeuerwehrbeamtInnen ist bekannt, dass dies bis heute nicht in Düsseldorf geschehen ist, während andere Kommunen die von einer EU-Richtlinie geforderten Ausgleichsmaßnahmen verbindlich umgesetzt haben.

Seit 1997 sieht eine verbindliche EU- Richtlinie vor, dass Bereitschaftsdienste nicht länger als 48 Stunden dauern dürfen. Diese Richtlinie wurde rechtswidrig in Deutschland nicht umgesetzt. Die NRW-Gesetzgebung sah sogar bis 2006 eine wöchentliche Bereitschaft von 54 Stunden vor. Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 07. Mai 2009 steht Mitgliedern von Berufsfeuerwehren ab dem Datum 01.01.2002 ein Freizeitausgleich für alle Bereitschaftsdienste von mehr als 48 Wochen-Stunden zu.

Der europäische Gerichtshof in Luxemburg hat im November 2010 in einem Urteil (Rechtssache C-429/09) die 48-Stunden Woche erneut bekräftigt und weiterhin festgestellt, dass EU-Recht über dem deutschen Recht steht „um die Haftung der Behörden auszulösen und Ersatz des Schadens zu erlangen, der ihm  durch den Verstoß gegen diese Bestimmung entstanden ist.“ Auch wenn der Dienstherr eine längere Arbeitszeit festsetze, könne sich der Kläger auf Unionsrecht berufen und aus dem EU-Recht einen Anspruch ableiten. Als Mitarbeiter eines staatlichen Betriebs könne sich der Feuerwehrmann unmittelbar auf die im EU-Recht festgesetzte 48-Stunden-Grenze berufen. Daher stehe ihm Schadenersatz sogar unabhängig von den deutschen Gesetzen zu. Nach deutschem Recht richte sich allerdings, wie dieser Ausgleich zu bemessen ist.

Der Gerichtshof bestätigte die Ansicht, dass der Überstundenausgleich auch rückwirkend gilt, also auch vor der Zeit der Antragstellung. Mehrere deutsche Gerichte haben dies mittlerweile bestätigt, so dass die Auskunft der Verwaltung zu der Anfrage vom 20. Oktober 2010, dass „In einem weiteren Urteil vom 08.06.2009 hat das OVG NRW klargestellt, dass ein Anspruch erst mit Antragstellung entstehen könne“ nicht der EU-Gesetzgebung entspricht.

In diesem Zusammenhang stellt die DIE LINKE. Ratsfraktion Düsseldorf folgende Fragen:

  1. Wie viele Überstunden fielen bei der Düsseldorfer Feuerwehr seit dem 01.01.2002 an und wie soll der Ausgleich der angefallenen Überstunden erfolgen? Bitte eine Jahresaufstellung von 2002 bis 2010.

  2. Wie sieht der aktuelle Stand der Verhandlungen mit der Feuerwehr zu den geforderten Ausgleichsmaßnahmen aus und welche Modelle sind von der Stadtverwaltung angedacht?

  3. Wie wird das erneute Urteil des Europäischen Gerichtshofes durch die Stadtverwaltung umgesetzt?

Freundliche Grüße

Ergün Durmus                              Lothar Daxenberger                                       Cemal Cetin



 

Antwort der Verwaltung durch den Stadtdirektor Abrahams:

Frage 1:
Wie viele Überstunden fielen bei der Düsseldorfer Feuerwehr seit dem 01.01.2002 an und wie soll der Ausgleich der angefallenen Überstunden erfolgen? Bitte eine Jahresaufstellung von 2002 bis 2010.

Antwort:
Die Fragestellung bezieht sich auf die aktuelle Rechtsprechung des EuGH, wonach die über 48 Std. wöchentlich hinausgehende Arbeitszeit bei den deutschen Feuerwehren gegen geltendes EU-Recht verstößt. Die Düsseldorfer Feuerwehr hat als Konsequenz aus dieser Rechtsprechung in den letzten beiden Jahren Neueinstellungen in erheblichem Umfang vorgenommen und wird durch Veränderung der Dienstpläne von der bisherigen 52-Std-Woche auf die 48-Std.-Woche umstellen.

Zum 01.01.2007 ist die neue „Arbeitszeitverordnung Feuerwehr“ in Kraft getreten; sie entspricht der EU-Richtlinie und der aktuellen EuGH-Rechtsprechung. Von der in dieser Arbeitszeitverordnung vorgesehene Möglichkeit, die Arbeitszeit mit einer einvernehmlichen, sogenannten Opt-Out-Erklärung von 48 Stunden auf 54 Stunden wöchentlich zu erhöhen. Zum Ausgleich der Zusatzstunden kann auf der Grundlage des Gesetzes über die Gewährung einer Zulage für freiwillige, erhöhte wöchentliche Regelarbeitszeit im feuerwehrtechnischen Dienst eine mtl. Zulage von 20 EUR pro 24- Std-Schicht gezahlt werden. Diese Opt-Out Regelung wird in Düsseldorf und bei vielen anderen Berufsfeuerwehren praktiziert. Deshalb fallen ab 2007 keine Stunden mehr an, die auszugleichen wären.

Da der Personalbestand in dem vor 2007 u.U. zur Rede stehenden rückwirkenden Zeitraum nur geringfügigen Änderungen unterlag, dürfte die jährliche Größenordnung der in diesen Jahren ohne Ausgleich mehr geleisteten Arbeitsstunden jeweils dem für das Jahr 2006 bekannten Wert von rd. 77.000 Stunden entsprechen. Dies allerdings nur, soweit die noch ausstehenden Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit die notwendigen Berechnungsparameter nicht verändert. Detaillierte, nur mit erheblichem Aufwand verbundene Auswertungen für weit zurück liegende Jahre sind z.Zt. nicht zielführend und werden erst erfolgen, wenn Art und Weise der Berechnung und zusätzlich die Fragen zur Verjährung rechtssicher geklärt sind.

 

Frage 2:
Wie sieht der aktuelle Stand der Verhandlungen mit der Feuerwehr zu den geforderten Ausgleichsmaßnahmen aus und welche Modelle sind von der Stadtverwaltung angedacht?

Antwort:
Mit der Feuerwehr und dem Personalrat der Feuerwehr wurde vereinbart, zunächst die noch ausstehenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu diesem Thema abzuwarten. Hier werden grundsätzliche Aussagen zur Berechnung, zur Höhe und zum Umfang des Freizeitausgleiches erwartet.

Wie bereits in der Stellungnahme zur POA-Sitzung am 20.10.2010 dargestellt, ist beabsichtigt, im Rahmen der dreijährigen Verjährungsfrist die geleistete Mehrarbeit für das Jahr 2006 in Form von Freizeit auszugleichen.


Frage 3:
Wie wird das erneute Urteil des Europäischen Gerichtshofes durch die Stadtverwaltung umgesetzt?

Antwort:
Der EuGH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass der zu leistende Ersatz des Schadens in Ermangelung von Unionsvorschriften auf diesem Gebiet Sache des nationalen Rechts ist. D.h., dass zunächst der nationale Gesetzgeber bzw. die nationalen Gerichte Entscheidungen u.a. über die Form des Ausgleichs und die Anspruchshöhe herbeiführen müssen. Eine gesetzliche Regelung wurde bislang nicht getroffen. Wie bereits dargestellt werden daher die Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit abgewartet.

Nach Mitteilung der Gewerkschaft komba wurden noch weitere Musterverfahren angestrengt. Mit diesen Verfahren soll (so die komba) geklärt werden, ob und inwieweit der Anspruch auf Entschädigung in Freizeit oder Geld der Verjährung unterliegt, welche Verjährungsfrist dann u. U. zum Tragen kommt und ab welchem Zeitpunkt generell ein Ausgleich zu erfolgen hat.

Hiervon wird abhängig sein, ob die Stadt Düsseldorf ggf. über das Jahr 2006 hinaus einen weiteren Ausgleich für die Vergangenheit zu leisten hat.