Wohnkostenlücke in den Grundsicherungssystemen

Ausschuss für Gesundheit und Soziales

Anfrage der Ratsfraktion DIE LINKE. Düsseldorf zur Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales am
23.01.2024 (AGS/007/2024):

Im vergangenen Oktober antwortete die Bundesregierung (BT-Drs. 20/9447) auf eine kleine Anfrage (BT-Drs. 20/8931) der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag zur Wohnkostenlücke 2022, dass in rund 338.000 Bedarfsgemeinschaften in der Bundesrepublik im Jahr 2022 die tatsächlich laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung die anerkannten und übernommenen Kosten überstiegen haben. Das entspricht rund 13 Prozent aller Bedarfsgemeinschaften. Es entstand im Jahr 2022 mithin eine Wohnkostenlücke, also eine Differenz zwischen tatsächlichen und anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung, in Höhe von 382 Millionen Euro.

Die erfragten Daten der Bundesregierung zum Bundesland Nordrhein-Westfalen zeigen, dass die Wohnkostenlücke in der Landeshauptstadt Düsseldorf am größten ist: hier beläuft sich der durchschnittliche Fehlbetrag bei Bedarfsgemeinschaften auf 131,16 Euro, bei Bedarfsgemeinschaften mit Kindern auf 175,51 Euro und speziell bei Bedarfsgemeinschaften von Alleinerziehenden auf 118,27 Euro. Bundesweit bleiben die betroffenen Haushalte jeden Monat auf durchschnittlich 94 Euro sitzen, welche in den meisten Fällen wahrscheinlich aus dem Regelsatz bestritten werden müssen. Diese zusätzlichen Kosten drücken die Menschen unter das Existenzminimum.

DIE LINKE Ratsfraktion Düsseldorf fragt an:

  1. Wie bewertet die Verwaltung die aktuellen Mietobergrenzen in Düsseldorf angesichts der oben genannten Wohnkostenlücke in der Landeshauptstadt im Jahr 2022?
     
  2. In wie vielen Fällen wurden in den vergangenen zwei Jahren (2022, 2023) in Düsseldorf durch das Jobcenter die tatsächlichen Kosten nicht übernommen? (Bitte aufschlüsseln nach Art der Bedarfsgemeinschaft, Höhe der übernommenen tatsächlichen Kosten und durchschnittlicher Dauer der Übernahme)
     
  3. Wie viele Bedarfsgemeinschaften in Düsseldorf mussten in den vergangenen zwei Jahren (2022, 2023) ihre tatsächlichen Kosten der Unterkunft senken? (Bitte aufschlüsseln nach Maßnahme zur Senkung, Anzahl der betroffenen Personen, Anzahl der Aufforderungen und tatsächlich durchgeführten Maßnahmen zur Senkung)

Mit freundlichen Grüßen
Helmut Born                         Christian Jäger                              Cornelia Schlemper


Antwort der Verwaltung durch den Stadtdirektor Hintzsche:

Antwort zu Frage 1:
Die Landeshauptstadt Düsseldorf erstellt seit Jahren ein schlüssiges Konzept zur Definition der angemessenen Bedarfe der Unterkunft für die Rechtskreise des SGB II und SGB XII, welches laufend fortgeschrieben wird.

Das schlüssige Konzept der Landeshauptstadt Düsseldorf basiert auf einer eigenen statistischen Datenerhebung. Diese erfolgt federführend durch das Amt für Statistik und Wahlen. Zuletzt wurde die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft im Jahr 2022 durchgeführt und die aktuellen Mietobergrenzen gelten ab 1. November 2022.

Bislang wurde das schlüssige Konzept der Landeshauptstadt Düsseldorf in jeglichen sozialgerichtlichen Verfahren als rechtmäßig bestätigt. Ein Handlungsbedarf besteht daher vor diesem Hintergrund nicht.

Antwort zu Frage 2:
In der Anfrage der Fraktion Die Linke wird auf die Bundestagsdrucksache 20/9447 Bezug genommen. Diese verweist wiederum auf die Bundestagsdrucksache 20/3018 aus dem Vorjahr zur Wohnkostenlücke 2021. In dieser schreibt die Bundesregierung zur Einordnung der Daten:

„Die geltend gemachten tatsächlichen Kosten der Unterkunft können höher sein als die vom Jobcenter anerkannten Kosten der Unterkunft. Die jeweiligen Ursachen für die Differenz von tatsächlichen und anerkannten Kosten können vielfältig sein und mit den Mitteln der Statistik nicht identifiziert werden. Neben der ggf. nicht vollständigen Übernahme der Wohnkosten durch das Jobcenter kommen dafür auch andere, in der operativen Erfassung liegende Gründe in Frage. Kommt es z. B. im Rahmen von Nebenkostenabrechnungen zu Rückererstattungen, werden diese häufig über die Reduzierung der anerkannten Kosten der Unterkunft verrechnet, ohne die tatsächlichen Kosten der Unterkunft ebenfalls anzupassen. Teilweise dürften Stromkosten den tatsächlichen Kosten der Unterkunft zugeschlagen werden, obwohl diese Kosten durch den Regelbedarf abgedeckt werden. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung kann sich beispielsweise herausstellen, dass nicht die gesamte in den tatsächlichen Kosten enthaltene Wohnfläche als Unterkunftskosten bewertet werden kann (Geschäftsräume, Untervermietung usw.) oder diese nicht kopfteilig auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfällt (wenn nicht leistungsberechtigten Haushaltsmitgliedern größere Flächen zustehen).“

Daher ist eine pauschale Begründung der „Wohnkostenlücke“, also die Differenz zwischen angemessenen und tatsächlichen Kosten der Unterkunft, mit Kostensenkungsverfahren nicht statthaft, zumal diese im Jahr 2022 nur in den Fällen bestand, in denen während des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II ein nicht genehmigter Umzug in eine unangemessen teure Wohnung stattgefunden hat. Es handelt sich insoweit lediglich um Einzelfälle. Auswertungen hierzu liegen dem Jobcenter Düsseldorf nicht vor.

Eine lokale Auswertung mit Jahreswerten über die Differenz zwischen angemessenen und tatsächlichen Kosten der Unterkunft steht nicht zur Verfügung, so dass auf das in der Anfrage zitierte Datenmaterial aus der Grundsicherungsstatistik verwiesen wird, welches als Anlage beigefügt wird.

Antwort zu Frage 3:
Keine Bedarfsgemeinschaft beim Jobcenter Düsseldorf war in den Jahren 2022 und 2023 von entsprechenden Kostensenkungsmaßnahmen bzw. - verfahren betroffen.

Im Jahr 2022 garantierte die Regelung des § 67 Absatz 3 SGB II Sozialschutzpaket (in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie) grundsätzlich eine Übernahme der tatsächlichen Kosten.

Im Jahr 2023 wurden vor dem Hintergrund der mit § 22 Absatz 1 Satz 2 und 3 SGB II eingeführten Karenzzeit die tatsächlichen Kosten der Unterkunft bei der Leistungsgewährung nach dem SGB II für volle zwölf Monate berücksichtigt. Diese Regelung galt auch für bereits vor dem 1. Januar 2023 bestehende Leistungsfälle.

Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft werden auch darüber hinaus zunächst weiterhin anerkannt. Betroffenen muss zunächst die Möglichkeit eingeräumt werden, im Anschluss an die Karenzzeit ihre Kosten in einer angemessenen Zeit - in der Regel sechs Monate - durch einen Wohnungswechsel, Untervermietung oder auf andere Weise zu senken (§ 22 Absatz 1 Satz 7 SGB II).

Hierzu sind seit Anfang 2024 im Rahmen der Beratungspflicht hinsichtlich der Einleitung von Kostensenkungsverfahren nach Ende der Karenzzeit zum 31. Dezember 2023 Gespräche mit den Betroffenen erforderlich.

Aus Gründen der Sozialverträglichkeit und zur Entlastung des Wohnungsmarktes sollen in Düsseldorf stufenweise diese Gespräche geführt werden:

  • Kategorie 1: im Zeitraum 01.01.24 bis 31.03.24 mit Betroffenen mit einer potentiellen Wohnkostenlücke von über 150 Euro,
     
  • Kategorie 2: im Zeitraum 01.04.24 bis 30.06.24 mit Betroffenen mit einer potentiellen Wohnkostenlücke von 51 bis 150 Euro,
     
  • Kategorie 3: für Betroffene mit einer potentiellen Wohnkostenlücke bis zu 50 Euro wurde eine Entscheidung zunächst zurückgestellt.

Nach grobem Vorfilter sind 812 Bedarfsgemeinschaften der Kategorie 1 und 1.006 Bedarfsgemeinschaften der Kategorie 2 zuzuordnen.

Erfahrungswerte aus der Zeit vor den Corona-Schutzpaketen und der Karenzzeit zeigen, dass es zum Beispiel durch Wohnungswechsel, Untervermietung und insbesondere durch eine Beseitigung der Hilfebedürftigkeit durch Arbeitsaufnahme nur in Ausnahmefällen nach Ablauf der angemessenen Frist bei der Leistungsberechnung überhaupt zu einer tatsächlichen Reduzierung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf den angemessenen Betrag kommt.

In allen Einzelfällen ist vorab zu prüfen, ob tatsächlich ein Kostensenkungsverfahren einzuleiten ist, da durch den Vorfilter unter anderem Personen mit erhöhtem Wohnungsbedarf - beispielsweise aufgrund von Behinderung oder bei temporären Bedarfsgemeinschaften – nicht abgebildet werden konnten. Gleiches gilt für Konstellationen mit einer individuellen Verlängerung der Karenzzeit bei einer Leistungsunterbrechung oder bei zwischenzeitlicher Geburt eines Kindes.

Im Ergebnis werden daher deutlich weniger Bedarfsgemeinschaften der Kategorien 1 und 2 betroffen sein.

Anlagen:

Anlage 1: Auszug Bundestags-Drucksache 20/3018 (Wohnkostenlücke 2021)

Anlage 2: Auszug Bundestags-Drucksache 20/9447 (Wohnkostenlücke 2022)